JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
Art, am Tag ihrer Hochzeit aus einem Fenster zu klettern und abzuhauen. So wie es auch nicht ihre Art war, einen Mann heiraten zu wollen, den sie erst seit ein paar Monaten kannte. Und doch hatte sie es vorgehabt.
Mollys jüngere Schwester Colleen hatte sich der Gruppe angeschlossen, und bis zum Tod von Mr. McClintock vor acht Jahren war sie die Impulsivste von ihnen gewesen. Seitdem hatte sie diesen Charakterzug erfolgreich unterdrücken können, doch als sie bei Dr. Jameson untergehakt dastand, schien sie Mühe zu haben, nicht irgendeinem Impuls zu folgen. Joshs Freund kämpfte unterdessen damit, seine Wut im Zaum zu halten.
Er war nicht der Einzige, der Wut verspürte, denn Clayton McClintock stritt sich mit Abby. Obwohl sie acht Jahre nicht in Cloverville gewesen war, machten die alleinerziehende Mutter und Clayton nahtlos dort weiter, wo sie aufgehört hatten, als sie damals die Stadt verlassen hatte. Ihre Feindseligkeit konnte kaum die Anziehung zwischen ihnen überspielen, und Brenna fragte sich kopfschüttelnd, ob die beiden wohl jemals Frieden schließen würden.
Abby strich ein zerknülltes Blatt Papier glatt, offenbar eine von Molly hinterlassene Nachricht. „Gut, dass sie weggelaufen ist, bevor sie sich auf den größten Fehler ihres Lebens einlassen konnte.“
Gleich neben ihr schnappte Josh entrüstet nach Luft, und doch brachte Brenna noch immer keinen Ton heraus. Wie sollte sie Abby widersprechen, wenn sie doch so ganz und gar ihrer Meinung war? Wenn Molly Zweifel gehegt hatte, dann war es verkehrt von ihr gewesen, seinen Heiratsantrag anzunehmen, sich mit ihm auf ein Datum zu einigen und ihm dann das Herz zu brechen. Zwar hatte niemand Brenna am Altar stehen lassen, doch sie war oft genug von Männern versetzt worden, um nachzuempfinden, wie gedemütigt und enttäuscht sich Josh fühlen musste. Allerdings war ihr nie das Herz gebrochen worden, da sie nie verliebt gewesen war.
„Josh, es tut mir leid“, sagte Clayton.
Nicht nur ihm ging es so, doch Brenna brachte nach wie vor kein Wort heraus. Ausgerechnet sie konnte nichts sagen, war sie doch schon als Kind diejenige gewesen, die andere herumkommandiert hatte.
Abbys vierjährige Tochter Lara, die wie eine Braut im Miniaturformat aussah, ermahnte ihre Mutter: „Mommy, du darfst nicht durch die Kirche rennen und laut reden.“
„Tut mir leid“, erklärte Abby an Josh und ihre Tochter zugleich gewandt. „Also dass sie einen Fehler gemacht hat, davon steht hier nichts. Sie ist im Moment nur ziemlich durcheinander.“
„Was ist los?“, wollte Mollys jüngerer Bruder Rory wissen. Der Teenager zog dabei den Krawattenknoten auf. „Hat sie sich wirklich aus dem Staub gemacht?“
„Frag Abby“, gab sein älterer Bruder zurück. „Sie hat die Erklärung für alles.“
Schuldgefühle ließen Brenna mit den Tränen kämpfen. War Molly aufgefallen, dass ihre Freundin und Brautführerin Gefühle für den Bräutigam entwickelt hatte, die sie gar nicht verspüren sollte? Noch bevor sie ihm beim Probeessen am Abend zuvor persönlich begegnet war, hatte sie sich durch die Telefonate und die E-Mails von seiner Intelligenz, seiner freundlichen Art und seinem selbstironischen Humor angezogen gefühlt.
„Geht es ihr gut?“, erkundigte sich Josh nach der entflohenen Braut. Seine Stimme verriet nur Sorge, aber keinen Zorn.
„Es geht ihr gut“, versicherte Abby ihm. „Sie ist nur sehr durcheinander und braucht etwas Zeit für sich, um herauszufinden, was sie eigentlich will.“
Brenna glaubte zu verstehen, warum Molly McClintock zum ersten Mal in ihrem Leben spontan entschieden hatte, warum sie ihren Plan, Ärztin zu werden, auf Eis legen wollte und sie Dr. Joshua Towers’ Heiratsantrag angenommen hatte. Sein Haar war fast so schwarz wie sein Smoking, nur die Neonbeleuchtung im Zimmer bewirkte einen leichten bläulichen Schimmer, der sich auch in seinen Augen wiederfand. So muskulös, wie er war, und so edel, wie sein Gesicht geschnitten war, stellte er zweifellos den bestaussehenden Mann dar, den Brenna je kennengelernt hatte. Allerdings gab es in dieser Kleinstadt, in der sie aufgewachsen war und in der sie inzwischen die familieneigene Bäckerei führte, ohnehin nicht unbedingt viele gut aussehende ungebundene Männer.
Nur war Josh nicht ungebunden. Auch wenn seine Braut die Flucht ergriffen hatte, waren sie immer noch verlobt, und er liebte sie. Er musste sie lieben, hätte er ihr sonst den Antrag gemacht?
Während sich die anderen
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