JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
ihren Haaren entströmte. Eine Locke streifte sein Kinn und erinnerte ihn an das weiche Fell des Kätzchens, das er vor einiger Zeit für die Zwillinge erstanden, aber notgedrungen zu sich genommen hatte, weil die Wildheit der Jungen das arme Ding völlig verängstigte.
Nun starrte Colleen ihn mit ihren riesigen dunklen Augen ebenso verletzlich und verängstigt an wie damals das Kätzchen. Warum fürchtete sie sich? Spürte sie seinen mühsam unterdrückten Zorn auf ihre Schwester? Oder spürte sie das Verlangen, das er kaum beherrschen konnte? „Colleen …“
Diese Verletzlichkeit, ihre Jugend und die Aura der Unschuld erweckten seinen Beschützerinstinkt. Doch er konnte sie höchstens vor sich selbst retten.
Sie senkte die Lider. Dichte schwarze Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen. Sie besaß das Gesicht eines Models, mit riesigen ausdrucksvollen Augen, hohen Wangenknochen, zierlicher Nase und vollen Lippen, die zum Küssen einluden.
Entschieden löste er den Blick von ihrem Gesicht und hob den Kopf. Über ihre Schulter hinweg beobachtete er ein anderes Paar auf der Tanzfläche – einen großen Mann, der sich über die zierliche Frau in seinen Armen beugte. Clayton McClintock küsste die blonde Brautjungfer voller Leidenschaft.
Genauso möchte ich Colleen küssen …
Entsetzt fragte Nick sich, was in ihn gefahren war. Sie wäre für ihn nicht in Frage gekommen, selbst wenn ihre Schwester seinen besten Freund nicht sitzen gelassen hätte. Er wollte sich nicht mit einem jungen Mädchen aus Cloverville einlassen. Sicherlich erwartete eine Frau aus der Kleinstadt eine feste Bindung, wollte Ehemann und Kinder. Er konnte ihr nichts davon bieten. Er wollte sich niemals in eine Position bringen, in der er einer anderen Person gegenüber verletzlich war. Wie sollte es ihm gelingen, die richtige Wahl zu treffen, wenn nicht einmal Josh und Bruce dazu fähig waren?
„Dr. Jameson?“
Ihre Stimme klang sanft und zögerlich statt hochmütig wie zuvor in der Kirche. Welche Stimme gehörte zu der wahren Person? Ihr wechselhaftes Wesen machte ihm einmal mehr bewusst, dass er seinem Instinkt nicht trauen konnte.
„Nennen Sie mich Nick“, bat er, denn der Doktor klang ihm zu steif aus ihrem Mund.
Doch sie sagte nichts, starrte ihn nur mit diesen großen Augen an, die so tiefgründig wirkten, dass er den Blick nicht deuten konnte.
„Nick“, wiederholte sie dann ein wenig atemlos.
Sein Herz pochte; eine Welle des Verlangens lief durch seinen Körper. Sie brauchte nur seinen Namen zu flüstern, und schon vergaß er beinahe den Zorn auf ihre Schwester.
„Sie wollten mir etwas sagen?“, erinnerte sie ihn.
Das war, bevor ihn das Bedürfnis überkommen hatte, sie zu küssen. Er atmete tief durch und rief sich seinen Entschluss in Erinnerung. „Ja. Da Josh in Cloverville bleibt, tue ich es auch.“
3. KAPITEL
Colleen griff nach ihrem Punschglas, das neben ihrer Handtasche auf dem Tisch stand. Es war noch unberührt, wegen der Tanzeinlage. Sie hätte dem Trauzeugen einen Korb geben sollen.
Zum Glück war das langsame Lied verklungen, sobald er seine Absicht kundgetan hatte, in der Stadt zu bleiben. So war es ihr gelungen, sich aus seinen Armen zu befreien und zwischen den anderen Tanzpaaren unterzutauchen, ohne Aufsehen zu erregen.
Er war ihr nicht gefolgt. Warum sollte er auch? Nur weil er sich einige Male zu ihr vorgebeugt hatte, als ob er sie küssen wollte?
Sicherlich hatte sie sich das Verlangen in seinem Blick nur eingebildet, weil sie schon so lange für ihn schwärmte. Er war zwar nicht so umgänglich wie Josh, aber ein brillanter Chirurg. Doch mehr als seine medizinischen Fachkenntnisse oder sein gutes Aussehen zog sie eine Aura der Traurigkeit an, die ihn umgab, als wenn auch er Verluste erlitten hätte. Er erschien ihr wie eine verwandte Seele. Aber auch das bildete sie sich vermutlich nur ein. Sie und Dr. Jameson hatten nichts gemeinsam, und sie musste ihre Gefühle für ihn endlich in den Griff bekommen.
Unwillkürlich dachte sie zurück an einen anderen Schwarm. Das Objekt ihrer Zuneigung, die Sportskanone der Highschool, hatte sich nur mit ihr eingelassen, um mit der Eroberung prahlen zu können. Seitdem war sie fest entschlossen, nie wieder so impulsiv zu handeln, sich nicht mehr so leichtfertig herzugeben – auch wenn die Erfahrung mit einem Mann wie Nick sicherlich erfreulicher ausfallen würde als das Abenteuer mit jenem unreifen Jungen.
Eine Hitzewallung machte sie durstig. Mit
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