JULIA HOCHZEITSBAND Band 20
Anziehungskraft. „Wie bitte?“
Sie deutete zu dem Täschchen in seiner Hand und neckte mit funkelnden Augen: „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie ein Handtaschendieb sind.“
„Sie haben sie auf dem Tisch liegen gelassen. Unbeaufsichtigt.“
„Wir sind hier in Cloverville“, sagte sie, als wenn das alles erklärte.
Er zog eine Augenbraue hoch. „Und in Cloverville gibt es kein Verbrechen?“
„Nichts Ernsteres, als dass mein dummer Bruder den Punsch gewaltig aufgepeppt hat.“ Sie streckte eine Hand nach der Tasche aus.
„Ich kann sie Ihnen nicht geben“, entgegnete er und hantierte ungerührt am Verschluss.
„Wie können Sie es wagen!“, rief sie empört.
„Ich muss Ihnen den Autoschlüssel abnehmen. Sie können nicht trinken und fahren.“ Als Chirurg hatte er zu viele betrunkene Fahrer und deren schwerverletzte Opfer behandeln müssen.
„Ich fahre ja gar nicht.“
„Eben.“ Er zog ihren Schlüsselring heraus.
„He, da ist auch mein Haustürschlüssel dran!“
„Wir sind hier in Cloverville. Keine Verbrechen“, entgegnete er. „Ich bezweifle, dass hier irgendjemand seine Haustür verschließt.“
Sie sagte nichts dazu. Sie wohnte noch zu Hause, und ihre Mutter verschloss tatsächlich niemals die Tür. Trotzdem hatte er weder das Recht, sich ihr Eigentum anzueignen, noch sie aufzuziehen.
Sie verspürte den Drang, es ihm irgendwie heimzuzahlen. Am besten, indem sie in ihm ein so heißes Verlangen entfachte, wie sie es schon so lange für ihn hegte. Vielleicht hatte sie ihre leidenschaftliche Natur zu lange unterdrückt. Oder sie war vom Punsch enthemmt. Doch sie musste sich beherrschen. Sie wusste, welch schwerwiegende Folgen impulsives Verhalten nach sich zog.
„Geben Sie mir meine Schlüssel und meine Handtasche“, verlangte sie in übertrieben überheblichem Ton.
„Das werde ich tun, sobald ich Sie nach Hause gebracht habe.“
Ihr Herz schlug höher bei dieser Aussicht, doch sie reckte trotzig das Kinn vor. „Ich gehe noch nicht.“
„Ihre blonde Freundin ist schon weg.“ Er deutete zur Tür. „Und die Rothaarige verzieht sich gerade mit Josh.“
Colleen folgte seinem Blick. Wie ein altes Ehepaar gingen Brenna und der Bräutigam Seite an Seite, jeder einen schlafenden Zwilling auf dem Arm.
„‚Die Blonde‘ heißt Abby Hamilton“, verkündete sie pikiert. Es ärgerte sie, dass Nick die Namen nicht kannte. Weil er die Probe versäumt hatte, war ihm niemand offiziell vorgestellt worden, aber mittlerweile hätte er sich doch informieren können. Andererseits durfte sie es ihm kaum verdenken, dass er mit den Vorgängen nicht vertraut war, wenn selbst die Braut sich nicht um die Vorbereitungen geschert hatte.„Und die Trauzeugin ist Brenna Kelly.“
„Sie hat Josh und die Zwillinge letzte Nacht beherbergt.“
„Ja. Im Haus ihrer Eltern. Damit der Bräutigam die Braut nicht vor der Hochzeit sieht.“ Aber selbst die strenge Beachtung abergläubischer Bräuche hat das Unglück nicht abgewehrt.
Nick schnaubte, dachte offensichtlich dasselbe. „Die Kellys haben ihre Gastfreundschaft sogar ausgeweitet. Er ist immer noch bei ihnen.“ Mit bitterem Unterton fügte er hinzu: „Er wartet auf die Rückkehr Ihrer Schwester.“
„Molly wird zurückkommen.“ Falls sie Cloverville überhaupt verlassen hatte, was Colleen bezweifelte.
Er starrte sie forschend an. „Wissen Sie, wo sie ist?“
Sie schüttelte entschieden den Kopf. Prompt drehte sich ihr der Magen um vom Punsch. Sie musste dringend Rory finden und ihm beibringen, dass leichtfertige Handlungen ernste Konsequenzen nach sich zogen. Diese schmerzhafte Lektion hatte sie selbst in seinem Alter gelernt.
Nick beobachtete, wie sie blass wurde und schwer schluckte. Er nahm sie beim Ellbogen und zog sie zum Ausgang. „Sie brauchen frische Luft.“
„Es geht mir gut“, behauptete sie, doch sie folgte seiner Führung ebenso wie zuvor auf dem Tanzboden, als sie sich in völliger Harmonie miteinander bewegt hatten.
Ihm kam in den Sinn, dass er so vollkommen auf sie eingestimmt war wie nie zuvor auf eine andere Person, nicht einmal auf seinen besten Freund und auch nicht auf seinen Bruder.
„Ich brauche keine frische Luft, und ich brauche Sie nicht, um mich nach Hause zu bringen.“ Ihre Stimme klang nicht trotzig oder starrsinnig, sondern stolz auf ihre Willensstärke und Selbstständigkeit.
Er hielt ihr die Tür auf. „Wenigstens verlassen Sie dieses Fest.“
Colleen trat hinaus in die kühle Nacht. Grillen
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