Julia Liebeskrimi Band 09
Die Papiere müssen jeden Tag da sein, dann wirst du es mit eigenen Augen sehen.“
Sein Atem roch nach Kaffee, und in seinem Mundwinkel klebte ein bisschen Spucke.
„Und was ist mit mir?“, fragte sie. „Da gibt es keine Papiere, weder wirkliche noch eingebildete, die Ihnen das Recht geben würden, mich zu entführen. Und auch wenn die Polizei ihre Nachforschungen vielleicht irgendwann einstellt, wird mein Mann doch nie aufhören, nach mir zu suchen.“
„Hör auf, mir zu drohen“, fuhr Howard Lee sie an. „Sonst könnte ich noch auf die Idee kommen, dich irgendwo verschwinden zu lassen.“
Mary bekam einen Schreck. Genau das hatte sie die ganze Zeit befürchtet, aber sie war wild entschlossen, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen.
„Egal, was Sie mit mir machen, Howard Lee, mein Mann weiß, wie Sie aussehen. Und die Polizei weiß es auch. Sie können sich nicht ewig verstecken.“
Howard Lee wurde bleich.
„Du lügst doch.“
Mary zuckte die Schultern. „Von mir aus glauben Sie, was Sie wollen.“
Er räumte das restliche Essen von dem Tablett, dann ging er schweren Schrittes wieder die Treppe hinauf und warf die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Mary zuckte zusammen, aber sie bereute nichts.
„Jetzt ist er mit dir böse“, sagte Justine.
Mary drehte sich zu dem Mädchen um und sagte mit einem leisen Grinsen: „Ja, stimmt.“
Justine zögerte einen Moment, dann schob sie ihre kleine Hand in Marys Hand und lächelte. Mary zwinkerte ihr zu. „Ich habe dir doch gesagt, dass alles gut wird, oder?“
Justine deutete auf Amy Anne. „Du musst sie auf den Schoß nehmen und ihr beim Essen helfen.“
Mary nickte. „Ja, gut. Danke, Justine.“
Daniel stand vor Vinter’s Supermarkt und schaute auf die kleinen Blutstropfen auf dem Asphalt, um die man einen weißen Kreidekreis gezogen hatte. Der Tatort war mit einem gelben Polizeiband abgesperrt, und sämtliche Videobänder aus den Überwachungskameras waren von der Polizei konfisziert worden. Da Bobby Joe keinen Zugang zu dem Bändern hatte, hatte er sich mit erstaunlichem Erfolg an die Zeugin gehalten. Mit seinem schnell aufblitzenden Lächeln, das in einem faszinierenden Kontrast zu seinem dunklen Böse-Jungs-Aussehen stand, bekam Bobby Joe Killian schlicht und ergreifend alles, was er wollte.
Und nach Aussage dieser Angestellten war das hier die Stelle, wo Mary entführt worden war. Der Mann hatte ihr eine Ohrfeige versetzt und sie dann in einen alten weißen Van gestoßen. Jetzt hatten sie die ersten drei Buchstaben des Nummernschildes und eine Beschreibung des Mannes, die mit Hopes Beschreibung übereinstimmte. Aber sie hatten keinen Schimmer, wo sie nach ihm suchen sollten.
Daniel wandte sich von dem blutbesudelten Gehsteig ab und schaute zu dem Supermarkt, in dem Bobby Joe verschwunden war. Durchs Schaufenster sah er, dass sein Freund noch einmal mit der Angestellten sprach. Daniel ballte seine Hände zu Fäusten und ging langsam zum Auto zurück. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich jemals so hilflos gefühlt oder so voller Angst. Er durfte gar nicht daran denken, was Mary vielleicht ertragen musste … falls sie überhaupt noch lebte. Er setzte sich in Bobby Joes Wagen und wartete.
Nach weniger als fünf Minuten kam Bobby Joe im Laufschritt aus dem Supermarkt.
„Erzähl mir was Neues“, sagte Daniel.
Bobby Joe startete wortlos den Wagen und fuhr aus der Parklücke.
„Wissen wir, was wir vorhaben?“
Der Privatdetektiv schaute Daniel an, dann grinste er unwiderstehlich. „Himmel, ja! Wir werden Mary Faith finden.“
Daniel wünschte sich Bobby Joes Optimismus. „Was hast du herausgefunden?“
Bobby Joe zuckte die Schultern. „Na, zum Beispiel, dass dieser Kerl mindestens einmal pro Woche hier einkauft. Und dass er in den letzten Wochen eine Menge Zeugs für Kinder gekauft hat.“
„Und was sagt uns das?“
„Dass er aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens ein Kind ernähren muss und hier in der Gegend wohnt. Eine Freundin von mir arbeitet bei der Zulassungsstelle. Vielleicht hilft uns das ja weiter.“
Howard Lee parkte auf dem Krankenhausparkplatz an seinem gewohnten Platz. Mit einem Lunchpaket unterm Arm stieg er aus, schloss seinen Van ab und betrat das Savannah Memorial durch den Angestellteneingang. Als er an seinem Spind war, hatte die Schicht bereits angefangen.
„Hallo, Martin, alles klar?“
Howard Lee nickte und winkte, während er seinen Overall aus dem Schrank holte. Er hätte dem
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