Julia Liebeskrimi Band 09
wüsste er den kleinen Scherz zu würdigen. „Ich bin Ingenieur. Genauigkeit ist für einen Ingenieur oberstes Gebot. Und Sicherheit.“ Er bedachte sie erneut mit einem sardonischen Blick. „Deshalb muss ich Sie dringend bitten, sich jeden Morgen vor Beginn der Dreharbeiten mit mir in Verbindung zu setzen.“
„Jeden Morgen ?“, rief sie entsetzt aus. „Was ist mit Ihrer mathematischen Präzision passiert? Was glauben Sie eigentlich, was an Vorbereitung für einen Dreh nötig ist?“
„Na schön, dann eben am Abend vorher. Mehr kann ich beim besten Willen nicht für Sie tun, Ms. Scott.“
„Sydney. Okay, okay. Geben Sie mir Ihre Nummer. Mein kleines schwarzes Buch mit meinen Kontakten hat leider der Canyon verschluckt.“
„Sie können mich hier im Büro erreichen, auf meinem Handy oder im Lone Eagle Motel.“
Sydney schrieb sich die Nummern, die er herunterrasselte, auf. „Dort wohnen wir auch.“
„Ich weiß.“
Die trockene Erwiderung veranlasste sie, den Kopf zu heben.
„Chalo Canyon ist ein kleiner Ort, Ms. Scott … Sydney. Es gibt nur ein Motel.“
Das war ihr sehr wohl bewusst. Ebenso bewusst wie der leise klirrende Unterton, der in seiner Stimme mitschwang. Sie konnte sich gut vorstellen, was ihn hervorgerufen hatte.
„Und?“, fragte sie kühl.
Er zuckte die breiten Schultern. „Und die Leute in kleinen Orten reden gern, sogar mit Fremden. Ich höre schon seit Wochen von Ihrer Rückkehr nach Chalo Canyon.“
„Von meinem Weggang vor zehn Jahren, meinen Sie wohl?“
Er lehnte sich zurück und streckte seine langen Beine unter dem Schreibtisch aus. Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht, während er sie aus lachhaft lang und schwarz bewimperten Augen beobachtete.
„Das auch.“
Sydney hatte in den letzten zehn Jahren einen weiten Weg zurückgelegt. Die hoffnungslos romantische Neunzehnjährige gab es nicht mehr. Dieses Mal würde sie nicht davonrennen, nicht vor Sebastian und nicht vor Jamie und auch nicht vor sich selbst. Und vor diesem Chefingenieur mit Sicherheit auch nicht, entschied sie grimmig.
„Hören Sie, Mr. Henderson …“
„Reece.“
„Hören Sie, Reece. Entschuldigen Sie die abgedroschene Metapher, aber was vor zehn Jahren passiert ist, ist Schnee von gestern. Etwas, das ich gern vergessen würde.“
„Die Leute hier scheinen sich aber daran erinnern zu wollen.“
„Das ist ihr Problem, nicht meins.“ Sie beugte sich vor und stach mit ihrem Stift ein Loch in die Luft, um ihre Worte zu unterstreichen. „Und obwohl es Sie nichts angeht, versichere ich Ihnen, dass ich einzig und allein zurückgekommen bin, um ein Projekt zu beenden, das ich vor zehn Jahren begonnen habe.“
Er unterzog sie einer langen Musterung, aber seine Augen gaben nichts von seinen Gedanken preis. „Warum ist dieses Projekt denn so wichtig für Sie?“
Sydney zwang sich, den Kloß, der ihr im Hals steckte, hinunterzuschlucken. Der Tod ihres Vaters lag noch nicht lange genug zurück, um mit einem Fremden darüber sprechen zu können.
„Ich bin Dokumentarfilmerin“, sagte sie schließlich mit einem Anflug von Schärfe in der Stimme. „Ich bin, ebenso wie Sie, stolz auf meine Arbeit. Und ich glaube, dass ich hier eine Menge Material für einen wirklich guten Film habe.“
Sie stand auf.
„So, und jetzt möchte ich fahren. Der Rest meiner Crew wird gegen Mittag eintreffen, und dann würde ich mich gern gleich an die Arbeit machen.“
Zweifellos ein eindrucksvoller Auftritt, entschied Reece, während er zuschaute, wie sie mit einem seiner Untergebenen wegfuhr.
Und er hätte ihr vielleicht sogar geglaubt, wenn er nicht zufällig in der ersten Reihe gesessen hätte, als sie etwa acht Stunden später mit ihrer Crew im Lone Eagle Café einlief.
3. KAPITEL
Wie seine Gäste täuschte auch das Lone Eagle Café keine Eleganz vor, die es nicht besaß. Die Kundschaft bestand größtenteils aus Einheimischen, und der Rest setzte sich aus Urlaubern und Sportanglern, die bei ihren Ausflügen zu dem großen Stausee hinter dem Damm durch den Ort kamen, zusammen.
Reece war schon im vergangenen Winter hier gewesen, als er sich den Damm zum ersten Mal angesehen hatte, und dann noch einmal während der Planungsphase vor ein paar Monaten. Vor drei Wochen war er zurückgekehrt, um die Reparaturarbeiten zu überwachen. Die Speisekarte des Cafés kannte er mittlerweile auswendig, aber er hatte sich dennoch wie üblich für ein Rib-Eye-Steak mit Pintobohnen entschieden.
Das Fleisch kam von
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