Julia Liebeskrimi Band 09
Glücklicherweise wachsen wir da früher oder später heraus.“
„Tun wir das?“
„Nun, ich auf jeden Fall.“ Ihr Blick landete auf Arlenes Fingern, die sich in Jamies Arm krallten. Sie gab sich offensichtlich Mühe, ihre Stimme sanfter klingen zu lassen. „Schon vor langer Zeit.“
Reece spannte sich an. Etwas Falscheres hätte sie in Jamie Chavez’ Beisein wohl kaum sagen können. Reece war dem jungen Chavez erst ein paarmal begegnet, aber er kannte diesen Typ Mann. Gut aussehend, reich, rastlos, ein bisschen ungehalten darüber, dass er mit und für seinen Vater arbeiten musste, obwohl er eines Tages der einzige Erbe der riesigen Ländereien und des Holzimperiums sein würde.
Und jetzt räumte eine Frau mit einem Lachen ein, sich seinetwegen zum Narren gemacht zu haben und schon seit Jahren aus dieser Verblendung herausgewachsen zu sein. Reece hätte wetten mögen, dass Jamie die Hand seiner Frau abschütteln würde … was er jetzt versuchte.
„Es hat sich hier in den zehn Jahren nicht viel verändert, Syd, aber wenn du magst, bist du herzlich eingeladen, mit mir einen Rundflug zu machen. Vielleicht kannst du ja für deinen Film ein paar Luftaufnahmen von den Ruinen machen.“
„Ich glaube nicht, dass das deinem Vater gefallen würde, Jamie. Er hat sich geweigert, mir und meiner Crew den Zugang zum Canyon über sein Land zu gestatten.“
Angewidert hob Reece sein Bier. Sah sie denn nicht, was sie da anrichtete? Oder … er verharrte mitten in der Bewegung. Versuchte sie womöglich, den jungen Chavez gegen seinen Vater aufzuhetzen?
Verdammt, er hatte ihr heute Morgen glauben wollen, als sie behauptet hatte, nur aus einem einzigen Grund nach Chalo Canyon zurückgekommen zu sein. Aber jetzt …
„Der Hubschrauber gehört mir“, sagte Jamie mit einem angespannten Lächeln. „Ich kann fliegen, mit wem ich will, wann ich will und wohin ich will.“
„Danke für die Einladung, aber ich brauche keine Luftaufnahmen. Oder Zugang durch das Chavez-Land. Ich habe andere Vereinbarungen getroffen.“
Arlenes gepeinigter Gesichtsausdruck veranlasste Reece aufzuspringen. Er erinnerte ihn so sehr an den Gesichtsausdruck seiner Mutter in dieser dunklen Februarnacht. Obwohl er sich sagte, dass es idiotisch sei, sich einzumischen.
„Apropos Vereinbarungen, wir wollten uns doch heute Abend zusammensetzen, nicht wahr?“
Er sagte es leicht dahin, aber das Glitzern in seinen Augen legte die Vermutung nahe, dass sie sich einig waren, über mehr als nur Vereinbarungen zu sprechen.
Sydney schaute ihn einen Moment verdutzt an, dann nahm sie sein Stichwort auf. „Richtig. Gehen wir auf Ihr Zimmer oder auf meins?“, gurrte sie und legte ihm einen Arm um die Taille.
Whoa! Wenn die Frau in eine Rolle schlüpfte, zog sie alle Register. Reece musste sich räuspern, ehe er eine Antwort herausbrachte.
„In meins. Ich räume nur rasch noch etwas auf, während Sie essen.“
„Ich bin nicht hungrig, ich komme gleich mit. Arlene, vielleicht haben wir ja ein andermal Zeit, uns ein bisschen miteinander zu unterhalten. Jamie …“
„Bis bald mal, Chavez“, sagte Reece.
Sydney nickte ihrer Crew zu, dann folgte sie Reece aus dem Café. Keiner von ihnen sprach. Ihre Schritte knirschten auf dem mit Kies bestreuten Weg. Mücken summten um die nackten Glühbirnen, die über den Moteltüren hingen. Vor der Tür mit der Nummer sechs blieb Sydney stehen. Sie holte tief Atem und schaute ihn an.
„Ich will nicht undankbar sein, aber diesmal musste ich wirklich nicht gerettet werden.“
„Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie retten wollte?“
„Aber wen …? Oh. Arlene?“
„Richtig. Arlene. Sie wirkte nicht sonderlich glücklich.“
„Ich kann nichts dafür, was sie denkt.“ Sie hakte die Daumen in den Bund ihrer ausgebeulten Hose. „Ich bin hergekommen, um einen Film zu machen und sonst nichts.“
„Eine Menge Leute scheinen anderer Meinung zu sein.“
„Tja, was soll ich machen? Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass sie mir im Weg steht.“
„Die Vergangenheit in Gestalt von Jamie Chavez oder seiner Frau?“
Sie presste die Kiefer aufeinander. „Hören Sie, das geht Sie wirklich nichts an. Lassen Sie uns einfach …“
Sie unterbrach sich und schaute an ihm vorbei. Reece hörte hinter sich, wie die Tür des Cafés ins Schloss fiel.
„O Himmel!“
Man brauchte kein Einstein zu sein, um zu wissen, wer eben herausgekommen war. Sie blieb einen Moment
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