Julia Liebeskrimi Band 09
sich an, aber sie schluckte die hitzige Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag, hinunter. Sie weigerte sich, ihm gegenüber … oder sonst wem … Rechenschaft abzulegen.
„Und vielleicht ja auch, weil ich hier eine Aufgabe zu erledigen habe“, fuhr er fort. „Ich bin auf die Kooperationsbereitschaft der Einheimischen, einschließlich der Familie Chavez, angewiesen.“
„Und Sebastian Chavez hat hier den größten Einfluss, nehme ich an?“
„Richtig. Bis er von Ihren Filmplänen erfuhr, war er sehr hilfsbereit, aber seitdem drängt er zur Eile.“
„Nun, dann muss er sich ja keine Sorgen machen, nicht wahr? Ich bin ebenso versessen darauf, mein Projekt zu Ende zu bringen, wie Sie das Ihre. Dabei fällt mir ein, sind wir fahrplanmäßig morgen immer noch bei 9.24 Uhr?“
„Neun Uhr dreiundzwanzig“, korrigierte er sie mit einem beunruhigenden Glitzern in seinen blauen Augen.
Grundgütiger Himmel! War das etwa Selbstironie? Die Vorstellung, dass Reece Henderson über sich selbst lachen könnte, haute sie fast ebenso um wie dieser Kuss. Nur gut, dass ihre Arbeit sie in den nächsten zwei Wochen auf Trab halten würde. Das Letzte, was sie im Moment brauchen konnte, war Ablenkung, dafür war ihr dieses Projekt viel zu wichtig.
„Sofern es die Lichtverhältnisse zulassen, wollen wir von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang am Ostrand drehen“, sagte sie forsch. „Haben Sie ein Problem damit?“
„Nein. Sagen Sie mir nur Bescheid, wenn Sie das Sperrgebiet verlassen.“
Sie nickte und schickte sich an, ins Café zurückzugehen. Sie sollte Zack wohl besser ermahnen, nicht bis tief in die Nacht fernzusehen, sonst würde sie morgen früh eine Ladung Dynamit brauchen, um ihn zu wecken.
„Sydney …“
„Ja?“
Er zögerte, dann verzog er diesen herrlich verruchten Mund doch tatsächlich zu einem echten Lächeln.
„Passen Sie auf, dass Ihnen kein Felsbrocken auf den Kopf fällt.“
„Ganz bestimmt.“
Sie würde stürzenden Felsbrocken und ehemaligen Liebhabern und zu gut aussehenden Ingenieuren aus dem Weg gehen. Tatsächlich würde sie, so schwor sie sich, während sie die Fliegengittertür des Cafés aufmachte, um jede Ablenkung einen großen Bogen machen, bis die Dreharbeiten abgeschlossen waren und sie sich den Staub von Chalo Canyon für immer von den Füßen schütteln konnte.
Leider aber war das leichter gesagt als getan.
Der frühmorgendliche Himmel trug noch einen mit Sternen bestickten Mantel aus Dunkelheit, als Sydney, beladen mit einer von Tishs Kamerataschen und einem Rucksack, der gefüllt war mit Wasserflaschen, aus ihrem Zimmer kam. Sie hatte erst einen Schritt auf den Kleinbus zugemacht, als grelle Scheinwerfer die Dunkelheit durchbrachen.
Sydney beobachtete, wie das Fahrzeug auf den Motelparkplatz einbog, und erhaschte einen Blick auf das silberne C an der Seitentür, bevor es ein paar Meter von ihr entfernt mit quietschenden Reifen hielt. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie sah, dass der Mann am Steuer nicht Jamie Chavez, sondern dessen Vater war.
Okay, Mädchen. Du wusstest, dass das früher oder später auf dich zukommt .
Ja, antwortete sie sich selbst, allerdings haben wir gehofft später.
Komm schon. Reiß dich zusammen! Du bist nicht mehr das törichte junge Mädchen von damals.
Mit neunzehn war sie beim Anblick von Jamies Vater vor Scham in den Boden versunken. Mit neunundzwanzig hatte Sydney die Hand ihres Vaters gehalten, während er einen langsamen qualvollen Tod gestorben war. Diese Erfahrung hatte ihre gesamte Sichtweise verändert. Aus diesem Grund war sie jetzt in der Lage, Jamies Vater mit einem gelassenen Nicken zu begrüßen.
„Hallo, Sebastian.“
Er knallte die Tür des Kombis zu, ein hochgewachsener Mann mit vornehm wirkenden Gesichtszügen und aufrechter Körperhaltung. Der Alte beugt sich nie, hatte Jamie irgendwann einmal verdrießlich grinsend zu Sydney gesagt. Er würde eher in zwei Teile zerbrechen, bevor er auch nur einen Quadratzentimeter von seinem Land oder seinem Stolz hergab.
Oder von seinem Sohn.
Selbst in der Dunkelheit konnte Sydney die Verachtung, die in seinen schwarzen Augen glomm, sehen. Der frische Morgenwind fuhr ihm durch das weiße Haar, während er sie kalt anstarrte.
„Sie sind zurückgekommen.“
Sydney bestätigte das Offensichtliche mit einem kleinen Nicken. „Ja.“
„Sie sind in Chalo Canyon nicht willkommen.“
„Das habe ich auch nicht erwartet, Sebastian. Nicht von Ihnen.“
Genauso wenig wie die
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