Julia Liebeskrimi Band 09
erhöbe, wenn sie sich nur ein paar Zentimeter streckte, könnte sie seinen Mund mit ihrem berühren.
Die Vorstellung, ihn erneut in einen dieser nervenzerfetzenden Küsse zu verwickeln, löschte einen Moment lang jeden anderen Gedanken, selbst den an die Ruinen, in ihr aus.
Aber nur einen Moment. Oder zwei.
Sie hatte viel zu viel in dieses Projekt investiert, um nur Sekunden, nachdem sie ihren Fuß auf diesen Felsvorsprung gesetzt hatte, ihre Perspektive aus dem Blick zu verlieren. Nachdem sie sich diesen Umstand in Erinnerung gerufen hatte, wischte sie an ihm vorbei, und zwar in exakt demselben Moment, in dem Reece sich für die andere Seite entschied, wobei er genauso erleichtert dreinschaute, wie sie sich fühlte. Energisch machte er sich daran, den Flaschenzug zu installieren.
Ein Schrei zu Tish hinunter signalisierte, dass der Mechanismus funktionstüchtig war. Reese’ Instruktionen folgend, verankerten die Kamerafrau und Zack einen Ausrüstungskoffer.
Sydney drehte ihm entschlossen den Rücken zu, während Reece die erste Ladung nach oben zog. Es war sinnlos, noch einen weiteren Mund voll Mücken zu riskieren, während sie voller Bewunderung beobachtete, wie sich das Licht in den feinen Schweißtröpfchen brach, die auf seinem Rücken glitzerten, oder in Gedanken bei der Poesie, die den Bewegungen seines schlanken muskulösen Körpers innewohnte, verweilte.
In weniger als zehn Minuten war sowohl ihre verkleinerte Crew als auch die Ausrüstung oben. Zack und Tish, die darauf brannten, an die Arbeit zu gehen, wühlten in den Kisten.
Als Reece sich die Hände an seiner Jeans abwischte und sich zum Gehen bereitmachte, war es ein Gebot der Höflichkeit, dass Sydney sich bei ihm für seine Hilfe bedankte. Sie lud ihn sogar als Dank zum Abendessen ins Lone Eagle Café ein.
„Ein andermal, vielleicht.“ Er schwang sich auf die Leiter. „Wenn heute Nachmittag die Daten kommen, auf die ich schon sehnlich warte, wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als eine lange Nacht einzuschieben.“
„Sicher. Bis dann.“
Dafür, dass er ihr einen Korb gegeben hatte, war die Sache noch relativ glimpflich abgegangen. Nichts im Vergleich zu der Demütigung, die Sydney vor zehn Jahren über sich hatte ergehen lassen müssen.
Und doch beschäftigten aus irgendeinem Grund Reece Hendersons kantige Gesichtszüge und seine beiläufige Ablehnung ihre Gedanken in den folgenden Stunden weit mehr, als gut für sie war.
7. KAPITEL
Sebastian konfrontierte seinen Sohn erst am folgenden Nachmittag mit dessen Flug in den Canyon. Er hatte sich fest vorgenommen, ruhig zu bleiben, aber seine Sorge reichte zu tief … und seine Angst. Nach fünf Minuten Diskussion brannten rote Flecken auf seinen Wangen.
„Ich dulde das nicht!“
Er stand stocksteif da und fixierte seinen Sohn über den Zeichentisch aus Eichenholz hinweg, der ihm als Schreibtisch diente.
„Diese Frau hat vor zehn Jahren um ein Haar alle deine Pläne und Träume zerstört. Du darfst das nicht noch einmal zulassen. Ich kann es nicht zulassen.“
„Meine Träume und Pläne?“ Jamie, der ebenso steif und unbeugsam dastand wie sein Vater, schnaubte verächtlich. „ Deine Pläne, meinst du wohl. Für mich. Für Arlene. Für die praktische Verschmelzung deiner Ländereien mit denen meiner Frau.“
Sebastian prallte getroffen zurück. „Ich wollte nur, dass du glücklich wirst. Das war alles, was ich je gewollt habe. Seit dem Tag, an dem deine Mutter …“
Sein Adamsapfel hüpfte. Selbst nach all den Jahren konnte er nicht über den Verrat seiner jungen Frau sprechen, ohne dass ihm die Galle hochkam.
„Seit dem Tag, an dem deine Mutter wegging, habe ich nur für dich gelebt.“
Jamie atmete geräuschvoll aus. Trotz ihrer gelegentlichen Auseinandersetzungen wussten sowohl Vater als auch Sohn um das starke Band, das sie einte. Jamies Kampfeslust verrauchte, und wie so oft stellten sich umgehend Schuldgefühle ein. Wieder einmal hatte er das Gefühl, unter der besitzergreifenden Liebe seines Vaters zu ersticken.
„Ja, ich weiß.“
Wie ein Adler stürzte sich sein Vater auf ihn, um seine Schwächung zu seinem Vorteil auszunützen. „Sydney Scott ist nach Chalo Canyon zurückgekommen, um sich an uns zu rächen. Du kannst ihr nicht trauen.“
„Nein, Dad. Du kannst ihr nicht trauen, genauso wenig, wie du je wieder einer Frau getraut hast, nachdem Mutter uns verlassen hatte.“
Sebastian gab ein abwehrendes Zischen von sich, aber sie wussten beide, dass
Weitere Kostenlose Bücher