Julia Liebeskrimi Band 09
„Wir werden schon nicht verhungern. Wir werden nicht mal erfrieren. Irgendjemand wird rechtzeitig in die Küche kommen, auf der Suche nach dem Abendessen.“
„Aber natürlich! Du hast recht. Aber bis es so weit ist … Mir ist sooo kalt!“ Zähneklappernd klammerte sie sich an ihn.
Raleigh strich ihr besänftigend übers Haar. „Erzähl mir von dem heißesten Tag deines Lebens.“
„Hm. Ich bin zu nervös. Erzähl du mir von deinem heißesten Tag. Aber halt mich fester, ich erfriere.“
Er spreizte leicht die Beine und zog sie so dicht an sich, dass ihre Körper nahezu miteinander verschmolzen. Molly konnte die wulstigen Nähte seiner Jeans durch den leichten Stoff ihrer Hose spüren, und die harten Metallzähne seines Reißverschlusses pressten sich in ihren Bauch. Es ist nichts Erotisches an dieser Umarmung, ermahnte sie sich.
Noch nicht.
Miteinander zu schlafen, das würde sie garantiert aufwärmen. Heiliger Cowboy, dachte sie. Was für eine herrliche Methode, dem Tod durch Erfrieren zu entgehen.
„Der heißeste Tag“, überlegte er. „Okay. Ich war fünfzehn und hab auf der Ranch meines Vaters gearbeitet. Es war drückend heiß. Heiß genug, um ein Spiegelei auf dem Asphalt zu braten.“
„Oh.“
„Die Arbeit auf einer Ranch ist kein Kinderspiel, ganz besonders nicht das Brandmarken von Kälbern. Die Viecher rennen brüllend durcheinander, und die Luft ist angefüllt mit dem Gestank von Panik und Schweiß, von Blut und verbranntem Fell. Im Pferch ist es heiß und staubig, und das Feuer verbreitet eine Höllenhitze. Das Brandeisen ist so heiß, dass man es kaum berühren kann. Die Kleider kleben mir am Körper, der Schweiß strömt mir übers Gesicht und läuft mir in die Augen, doch ich muss ein wild um sich schlagendes Kalb zu Boden ringen …“
„Genug, ich kann’s mir lebhaft vorstellen.“
„Immer noch kalt?“
Sie strich ihm über die Rippen. „Ja, aber jetzt ist mir kalt und übel.“
„So? Dann bist du jetzt dran, Miss Molly.“
Ihr Gedächtnis beschwor die Erinnerung an heiße Sommer in Connecticut herauf, an schwüle Augusttage in der Stadt, an denen der Asphalt vor Hitze förmlich dampfte. „Also, da gab es einen Tag, als ich dreizehn war. Ich hab mit meiner Mom über irgendetwas so Entscheidendes für meine Existenz gestritten, dass ich mich jetzt nicht mehr daran erinnern kann. Ich rannte wütend nach oben bis auf den Dachboden, und dort oben war es so heiß wie in einer Sauna. Innerhalb von Sekunden war ich schweißgebadet. Ich war zu dickköpfig, um wieder nach unten zu gehen, also rollte ich mich auf einem Stapel Schlafsäcke zusammen und weinte mich in den Schlaf. Stunden später hat mein Grandpa mich dort gefunden. Weich gekocht wie ein Ei.“
„Was passierte dann?“
„Meine Mom steckte mich in eine Wanne mit kaltem Wasser, und ich begann allmählich, mich zu erholen. Dann leerte sie ihren kompletten Eiswürfel- und den gesamten Eiswürfelvorrat unserer Nachbarn in die Wanne, um meine Temperatur noch weiter nach unten zu drücken.“ Molly drehte den Kopf auf die andere Seite, um auch ihre rechte Wange an Raleighs Brust zu wärmen. „Mir war das Ganze schrecklich peinlich. Gleichzeitig war ich dankbar und immer noch ein bisschen wütend. Anschließend durfte ich einen Riesenbecher Eiscreme verspeisen, und mein Grandpa lieh einen Weihnachtsfilm aus der Videothek aus, wegen der Winterszenen. Wochenlang haben meine Brüder mich ‚gekochte Krabbe‘ genannt, weil ich regelrecht krebsrot gewesen bin vor Hitze.“
Sie hielten einander für weitere zehn Minuten eng umschlungen, wobei sie immer wieder heftig mit den Füßen stampften, um ihren Kreislauf in Gang zu halten. Sie lösten sich nur voneinander, um erneut mit den Fäusten gegen die Tür zu trommeln und um Hilfe zu rufen.
„Wozu das alles?“, meinte Molly schließlich resigniert. Auf ihre Finger zu blasen half auch nichts, denn sie fror noch mehr, wenn sie ihren dampfenden Atem sah. „Was hätte Sharleen davon, uns in der Kühlkammer einzusperren?“
„Falls es Sharleen war“, versetzte Raleigh düster.
„Wer denn sonst? Etta Sue ist bestimmt noch bei Rip. Sie erleben gerade ihren zweiten Frühling.“
„Ach?“ Raleighs Misstrauen wuchs. Als er nämlich die Scheune verlassen hatte, um zur Lodge zu gehen, hatte er Rip den Stall ausmisten sehen. Und zwar allein. Entweder irrte Molly sich, oder Etta Sue log. „Hat sie dir das erzählt?“
„Es ist doch ganz offensichtlich, Raleigh. Sie trägt
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