JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 56
Verletzlichkeit in seiner ungezügelten, fast rücksichtslosen Umarmung. Als wollte er sich in ihr verlieren, als wäre sie die Einzige, die ihn berühren und seine innere Trostlosigkeit vertreiben könnte.
„Zeig sie mir“, bat sie. „Lass mich deine Narben sehen.“
Seine Miene verfinsterte sich. „Das hier ist kein Kuriositätenkabinett, Evie. Du hast bekommen, was du wolltest, also verschwinde jetzt.“
Sie ließ nicht locker. „Du wurdest verwundet, als dein Bruder umkam, oder? Du wärst beinahe auch getötet worden.“
An seinem Kinn zuckte ein Muskel. „Raus.“
„Du fühlst dich schuldig, weil du am Leben geblieben bist, während er sterben musste“, fuhr sie fort. „Deshalb arbeitest du wie ein Besessener. Deshalb schottest du dich ab. Du glaubst, dass du es nicht verdient hast, glücklich zu sein. Weil du lebst und er nicht.“
Zorn blitzte in seinen eisblauen Augen auf. „Geh endlich, bevor ich dich eigenhändig hinauswerfe!“
Evie dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. „Ich glaube, dir liegt viel mehr an anderen Menschen, als du zugeben willst“, sagte sie. „Nimm mich, zum Beispiel.“
Ein spöttischer Zug umspielte seine Mundwinkel. „Habe ich gerade.“
Sie ignorierte den feinen Stich in der Herzgegend. „Du hältst jeden auf Abstand. Wir hatten unglaublichen Sex, aber du spielst das herunter, als hätte es keine Bedeutung. Schlimmer noch, als wäre es etwas Billiges, als wäre ich nur jemand, den du in einer Bar aufgegabelt hast. Doch das bin ich nicht, Finn.“ Evie beugte sich vor. „Ich sorge mich um dich, frag mich nicht, warum, aber es ist so!“
„Bist du fertig?“
Den resignierten Seufzer konnte sie nicht unterdrücken. „Warum kannst du dir nicht vorstellen, dass jemandem etwas an dir liegt? Warum denkst du, dass du keine Liebe verdient hast?“
„Liebe?“ Er spie das Wort förmlich aus. „Meinst du, das war der Grund für das, was wir gerade getrieben haben? Irrtum, Prinzessin. Es war nichts weiter als Sex.“
Es tat weh. Und es war unbeschreiblich demütigend. Für Finn war sie nur ein Betthäschen, das nächste auf seiner langen Liste. Keine Vertrautheit, wie sie sie empfunden hatte. Sie hatte sich alles nur eingebildet. Plötzlich fühlte sie sich benutzt, wie ein Stück Abfall, das er nicht mehr brauchte. „Du bist wirklich ein ganz toller Typ, was, Finn?“, mokierte sie sich verbittert.
Lässig lehnte er sich gegen das Sofa und musterte sie abschätzend. „Falls es dich wieder juckt, Prinzessin, klopf ruhig an. Ich stehe gern zu Diensten.“
„Darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst!“ Sie riss die Tür auf und knallte sie hinter sich ins Schloss.
Fluchend stieß Finn sich vom Sofa ab. Er hatte seine eigenen Regeln gebrochen, ausgerechnet mit Evie Lockheart! Einfach nur Sex konnte er mit einer Frau wie Evie nicht haben. Sie schaffte es immer wieder, ihn an seine Grenzen zu treiben mit ihren besorgten Blicken, ihrer melodischen Stimme und den sanften Händen, mit denen sie ihn berührte, als wäre er der faszinierendste Mann, dem sie je begegnet war. Für einen kurzen Moment hatte er sich fallen lassen.
Sich in ihr verloren.
Gefühle empfunden, auf die er kein Recht hatte.
Er wollte nichts für Evie fühlen. Und erst recht wollte er nicht, dass sie etwas für ihn empfand. Aber der Sex war großartig gewesen, einfach unglaublich.
Diese Leidenschaft hatte er bei Evie nicht vermutet. Wie sie auf ihn reagiert hatte, wie sie mitgegangen war, das war wahnsinnig gewesen. Verlangen regte sich in ihm, als er sich daran erinnerte, wie sie gekommen war, atemlos vor Lust.
Er hatte schon mit vielen Frauen geschlafen, aber das hier war anders gewesen. Finn hatte eine Verbundenheit gespürt, die ihm Angst einjagte. Mehr noch, Evie hatte ihm ihre verletzliche Seite gezeigt, ihm Gefühle gestanden, von denen er nichts hören wollte.
Evie verunsicherte ihn. Es war, als könnte sie auf den Grund seiner Seele blicken, in die trostlose Leere, die sich in seiner Kindheit aufgetan und nach Isaacs Tod nie mehr gefüllt hatte.
Aber Evie konnte ihn noch so oft anblicken mit ihren warmen rehbraunen Augen oder sich um ihn sorgen, es würde nichts ändern.
Finn wollte niemanden mögen, geschweige denn lieben. Er konnte es nicht riskieren, jemanden, den er liebte, im Stich lassen zu müssen wie seinen Bruder.
Er war es gewohnt, allein zu sein.
In seiner Einsamkeit fühlte er sich am sichersten.
10. KAPITEL
„Du glaubst nicht, was für ein
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