Julia präsentiert Träume aus 1001 Nacht 02
erziehen oder nicht.
Sie starrten sich mehrere Augenblicke lang an, und Crystal wünschte sich, er würde etwas sagen. Sie befürchtete bereits, dass ihre scharfe Zunge sie einmal mehr in Schwierigkeiten gebracht hatte. Dennoch war es besser, das gleich zu Beginn zu klären – für sie beide. Und besonders für die Kinder.
„Lassen Sie mich sehen, ob ich die Frage richtig verstehe“, meinte der Prinz schließlich. In seinen Augen funkelte es, was Humor bedeuten konnte. „Wenn ich mich in der Gegenwart einer schönen Frau nicht konzentrieren kann, dann fragen Sie, wessen Schuld das ist?“
„Das fasst es in etwa zusammen.“
„Es ist natürlich die Schuld der Frau.“
Wieder wusste sie nicht, ob er scherzte, beschloss dann aber, so zu tun, als meine er es ernst. „Dann sollten Sie etwas über mich wissen, bevor wir weiterreden.“
Er legte die Hände zusammen und lehnte sich über den Schreibtisch hinweg weiter vor. „Und was ist das?“
„Die Basis meiner Philosophie im Umgang mit Kindern liegt darin, dass ich von ihnen verlange, dass sie immer die Verantwortung für ihre Taten übernehmen.“
„Nun, dann ist da auch etwas, dass Sie über mich wissen sollten.“
„Und das wäre?“
„Ich bin kein Kind. Und ich habe immer recht.“
Über seine erste Aussage ließ sich zweifellos nicht streiten. Er war durch und durch maskulin! Sie schluckte trocken. Durch diese provozierende Antwort, wäre ihr beinahe die Arroganz in seiner zweiten Aussage entgangen. Er hatte immer recht?
„Es ist immer gut zu wissen, wie sein Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt sieht“, erwiderte sie. „Ich gehe mal davon aus, dass Sie noch mein Arbeitgeber sind.“ Sie hielt den Atem an.
„Ich denke, meine Tante hat weise ausgesucht. Sie werden Ihre Sache gut machen.“
Crystal war klar, dass sie erleichtert darüber sein sollte, der Musterung standgehalten zu haben. Sie hatte es geschafft. Sie war eingestellt. Bevor sie den Prinzen persönlich getroffen hatte, hatte genau darin ihre Hoffnung gelegen. Unglücklicherweise fühlte sie sich jetzt, wo ihr der Job sicher war, seltsam enttäuscht über ihren Erfolg. Er glaubte also tatsächlich, dass sie so schlicht und bieder war, wie sie vortäuschte. Er nahm ihre Kleider, ihr Haar und die Brille wahr und schaute nicht weiter.
„Ich würde jetzt sehr gerne die Kinder kennen lernen“, meinte sie. Wenn das hier ein Jobinterview war, dann war sie diejenige, die es führte, aber sie wollte wirklich so bald wie möglich die beiden Kleinen treffen.
„Ich werde Sie zu ihnen bringen und Sie vorstellen.“ Sie hörte Stolz aus seiner Stimme, und in seinen Augen lag ein zärtlicher Ausdruck.
Fariq stand auf, umrundete den Schreibtisch und bedeutete dann mit einer Geste, dass sie vorgehen solle. Sie hielt an der schweren Holztür, und während sie beide nach der Klinke griffen, berührten sich ihre Hände.
„Erlauben Sie mir“, sagte er mit seiner samtweichen, tiefen Stimme, die ihr Schauer über den Rücken jagte.
„Danke schön.“
In der Halle vor seinem Büro schaute sie sich neugierig um. Ihre flachen Schuhe versanken förmlich in dem dicken, teuren Teppich. Die holzgetäfelten Wände waren mit Fotos von El Zafir in verschiedenen Phasen seiner Entwicklung behängt.
In ihrem ganzen Leben hatte Crystal noch nie einen solchen Luxus gesehen wie seit ihrer Ankunft im Palast. Marmorböden, elegante Treppenhäuser, ein Springbrunnen im Foyer, üppige Gärten. Die Räume waren mit sündhaft teuren, teils antiken Möbeln ausgestattet, und überall sah man Gold und Dekor im Überfluss – unschätzbare Kunstwerke, Gemälde, Vasen und Tapisserien. Verdammt beeindruckend.
Es gab vier Büros. Das des Königs war das erste, dann folgte das des Kronprinzen und schließlich Fariqs, vor dem sie gerade standen. Ein letztes Büro befand sich am Ende der Halle auf der rechten Seite, und sie vermutete, dass es Rafiq, dem jüngsten Bruder gehörte. Sie glaubte, daraus Kinderstimmen herauszuhören, begeistertes Gekicher und Gelächter.
Sie blickte zu ihrem Arbeitgeber auf und deutete mit dem Daumen in Richtung des Lärms. „Sie sind in diese Richtung entkommen.“
„Eine Zeile aus einem der B-Western Ihres Landes?“, fragte er.
„Sie kennen die Filme?“
„Ich habe in Amerika studiert.“
„Oh ja, natürlich.“
Sie gingen in das letzte Büro, und dort auf dem Ledersofa an der Wand saßen zwei Kinder und ein Mann, der nur Fariqs Bruder sein konnte. Ein kleines Mädchen
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