Julia Quinn
zurücklassen müssen.«
Die Countess winkte ab, eine Geste,
die Caroline von nun an das »Ravenscroft-Winken« nennen würde. »Ich werde
einfach den Lakaien meines Bruders auftragen, es später zu holen.«
»Oh, aber er ...«, setzte Caroline
an, doch dann wandelte sie es schnell in ein Husten ab, in dem Versuch, davon
abzulenken, dass sie kurz davor gewesen war, damit herauszuplatzen, dass
Blake lediglich drei Dienstboten angestellt hatte, von denen nur der Kammerdiener
stark genug war, schwere Truhen zu tragen.
Die Countess klopfte ihr heftig auf
den Rücken. »Geht es Ihnen gut, Miss Dent?«
»Ich ... ich habe bloß etwas Staub
geschluckt, das ist alles.«
»Es hat sich fast wie ein Gewitter
angehört.«
»Ja, ich neige gelegentlich zu
Hustenanfällen.«
»Tatsächlich?«
»Einmal war ich hinterher beinahe
stumm.«
»Stumm? Das kann ich mir kaum
vorstellen.«
»Das konnte ich auch nicht«,
erwiderte Caroline aufrichtig, »bis es geschah.«
»Nun, ich bin sicher, Ihr Hals muss
ziemlich wund sein. Sie müssen uns zum Haus meines Bruders begleiten. Ein wenig
Tee wird genau das Richtige sein, um Sie wieder herzustellen.«
Caroline begann erneut zu husten –
diesmal allerdings wirklich. »Nein, nein, nein, nein, nein«, sagte sie immer
wieder, viel häufiger, als es ihr lieb war. »Das ist wirklich nicht nötig. Es
wäre mir grässlich, mich derart aufzudrängen.«
»Oh, aber Sie würden sich doch gar
nicht aufdrängen. Schließlich brauche ich Sie, damit Sie uns den Weg nach
Seacrest Manor zeigen. Ihnen dann ein wenig Tee und eine Kleinigkeit zu essen
anzubieten ist das Mindeste, was ich tun kann, Ihnen Ihre Freundlichkeit zu
vergelten.«
»Es ist wirklich nicht nötig«,
beeilte sich Caroline zu sagen. »Und die Wegbeschreibung nach Seacrest Manor
ist ganz einfach. Alles, was Sie tun müssen, ist diesem ...«
»Ich habe einen ganz grässlichen
Orientierungssinn«, unterbrach die Countess sie. »Letzte Woche habe ich mich
in meinem eigenen Haus verlaufen.«
»Das fällt mir schwer zu glauben,
Lady Fairwich.«
Die Countess zuckte mit den
Schultern. »Es ist ein riesiges Gebäude. Ich bin jetzt seit zehn Jahren mit
dem Earl verheiratet und habe noch nie den Ostflügel betreten.«
Caroline schluckte und lächelte
schwach, ratlos, was sie darauf antworten sollte.
»Ich bestehe darauf, dass Sie uns
begleiten«, verkündete die Countess und hakte sich bei Caroline unter. »Und ich
kann Sie genauso gut gleich warnen, dass es keinen Sinn hat, mir zu
widersprechen, weil ich ohnehin immer meinen Kopf durchsetze.«
»Das zu glauben, Lady Fairwich,
fällt mir überhaupt nicht schwer.«
Die Countess lachte hell auf. »Miss
Dent, ich glaube, Sie und ich werden einfach famos miteinander auskommen.«
Caroline musste sich Mühe geben,
sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen. »Sie planen also, länger hier zu
bleiben?«
»Oh, nur eine Woche oder so. Es
schien mir närrisch, den ganzen Weg hierher zu machen, nur um sofort wieder zur
Heimreise aufzubrechen.«
»Den ganzen Weg? Sind es nicht
weniger als hundert Meilen?« erkundigte sich Caroline stirnrunzelnd. Hatte
Blake das nicht erst heute Morgen gesagt?
»Ach, hundert Meilen, zweihundert
Meilen, fünfhundert Meilen ...« Die Countess zeigte wieder das RavenscroftWinken. »Wenn ich packen muss, was für einen Unterschied macht die Entfernung
dann schon noch aus?«
»Ich ... ich ... ich habe keine
Ahnung«, erwiderte Caroline und fühlte sich, als wäre sie gerade von einem
Wirbelwind erfasst worden.
»Sally!« rief die Countess und
drehte sich zu ihrer Zofe um. »Miss Dent wird mir den Weg zum Haus meines
Bruders zeigen. Warum bleibst du nicht mit Felix einfach hier und bewachst
unser Gepäck? Wir werden so schnell wie möglich jemanden schicken, dich zu
holen.«
Dann machte die Countess einen
Schritt in Richtung Seacrest Manor, Caroline mehr oder weniger mit sich
ziehend. »Ich wage zu sagen, dass mein Bruder wirklich überrascht sein wird,
mich zu sehen!« flötete sie.
Caroline bewegte sich auf wackeligen
Beinen vorwärts. »Und ich wage zu sagen, da haben Sie Recht.«
Blake war nicht gerade in bester Laune.
Ihm war ganz offensichtlich das
letzte bisschen Vernunft, das er noch besessen hatte, abhanden gekommen. Es gab
keine andere Erklärung dafür, warum sonst er Caroline in sein Zimmer getragen
und im hellen Tageslicht beinahe verführt hätte. Und als ob das noch nicht
schlimm genug war, quälte ihn nun – dank seines Butlers, der sich in
Weitere Kostenlose Bücher