Julia Quinn
gebeten?«
Sie hob hochmütig das Kinn. »Wie Sie
schon so treffend bemerkten – es ist wirklich nicht sehr schwer, einer alten
Frau beim Schlafen zuzusehen. Sicher haben Sie andere und wichtigere
Verpflichtungen. Guten Morgen.«
James sah ihr verdutzt nach, als sie
davonging. Um Himmels willen, er hatte sie doch nicht beleidigen wollen!
»Elizabeth, warten Sie!« Sie blieb stehen und drehte sich um, sichtlich
überrascht, dass er sie mit dem Vornamen angeredet hatte. Nun, er selbst war
genauso überrascht. Es kam auch nur, weil er die letzten Tage ständig an sie
als Elizabeth gedacht hatte, und ...
»Ja?«
»Ich komme mit Ihnen.«
Sie warf ihm einen etwas verärgerten
Blick zu. »Sie verstehen es doch wohl, sich ruhig zu verhalten, oder? Ich
möchte nämlich nicht, dass sie uns dabei ertappt, wie wir ihr nachspionieren.«
Seine Mundwinkel zuckten, und er
musste sich sehr zusammennehmen, um nicht lauthals zu lachen. »Sie können
sich darauf verlassen, dass ich uns nicht verraten werde«, versicherte er
mit gespieltem Ernst. »Ich halte mich für einen ziemlich guten Spion.«
Ihre Miene hellte sich immer noch
nicht auf. »Das ist eine etwas merkwürdige Feststellung. Sagen Sie, geht es
Ihnen gut?«
»Ja, vollkommen, warum?«
»Sie sehen aus, als ob Sie niesen
müssten.«
Sein Blick fiel zufällig auf einen
Blumenstrauß, und dankbar griff er nach dieser Ausrede. »Blumen bringen mich
immer zum Niesen.«
»Gestern im Rosengarten haben Sie
aber nicht geniest.«
Er räusperte sich und dachte
fieberhaft nach. »Das da sind aber keine Rosen«, meinte er und zeigte auf
die Vase. »Wie dem auch sei, ich kann Sie nicht mitnehmen«, entschied sie. »Überall im Garten
blühen Blumen. Ich kann nicht riskieren, dass Sie alle zwei Minuten
niesen.«
»Das werde ich auch nicht«,
beteuerte er hastig. »Mir passiert so etwas nur bei geschnittenen Blumen.«
Sie sah ihn argwöhnisch an. »Von
einem solchen Leiden habe ich noch nie gehört.«
»Ich auch nicht. Mir ist noch nie
jemand begegnet, der so reagiert wie ich. Die Stiele müssen wohl irgendeinen
Reizstoff enthalten, der mich irritiert, sobald er freigesetzt wird.«
Ihr Blick war unverändert zweifelnd, daher schmückte er seine Geschichte noch
weiter aus. »Dadurch habe ich auch große Probleme, wenn ich einer Dame den Hof
mache. Ich bin verloren, wenn ich auf die Idee komme, ihr Blumen zu
schenken!«
»Nun gut, kommen Sie mit«,
erklärte sie knapp. »Aber wenn Sie das vermasseln ...«
»Das werde ich nicht«,
beruhigte er sie.
»Wenn Sie das vermasseln«,
wiederholte sie um einiges lauter, »... werde ich Ihnen das nie
verzeihen.«
Er deutete eine leichte Verbeugung
an. »Gehen Sie voraus, Miss Hotchkiss.«
Nach ein paar Schritten blieb sie
plötzlich stehen und drehte sich zu ihm um. »Vorhin haben Sie Elizabeth zu mir
gesagt«, erinnerte sie ihn zögernd.
»Verzeihen Sie mir«, murmelte
er. »Das war unhöflich.« Er sah, wie sich die unterschiedlichsten
Emotionen auf ihren Zügen widerspiegelten. Sie war sich nicht sicher, ob sie
ihm die Freiheit einräumen sollte, sie beim Vornamen zu nennen. Er merkte, wie
ihr von Haus aus freundliches Naturell mit ihrem Bedürfnis rang, ihn eher auf
Distanz zu halten.
Schließlich gab sie sich einen Ruck.
»Es ist nicht so tragisch. Wir Angestellten hier in Danbury House gehen nicht
so formell miteinander um. Wenn die Köchin und der Butler mich Elizabeth
nennen, dann dürfen Sie das wohl auch.«
Er fühlte sich auf geradezu absurde
Weise zufrieden. »Dann müssen Sie mich aber auch James nennen.«
»James«, sagte sie probeweise,
fügte dann aber hinzu: »Natürlich werde ich diese Anrede niemals benutzen, wenn
wir in Gegenwart Dritter sind.«
»Natürlich nicht. Das gilt nur, wenn
wir beide allein sind.«
Sie nickte. »Also gut, Sie lächelte
kleinlaut. »James. Wir sollten uns auf den Weg machen.«
Er folgte ihr durch ein Gewirr von
Fluren, da sie darauf bestand, einen Umweg zu machen, um nicht Lady Danburys
Misstrauen zu wecken. James fand, gerade die Tatsache, dass man sie kurz
hintereinander im Ballsaal, Frühstückssalon und Treibhaus sehen
konnte, musste unweigerlich Misstrauen erwecken, aber er behielt diesen
Gedanken für sich. Elizabeth gefiel sich eindeutig in der Rolle der Anführerin,
und er genoss dafür den Anblick ihrer bezaubernden Kehrseite.
Als sie endlich ins Freie traten,
befanden sie sich an der Ostseite des Hauses, nahe der Vorderfront und ungefähr
so weit vom Garten entfernt wie
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