Julia Quinn
möglich. »Wir hätten durch die Flügeltüren im
Musikzimmer gehen können«, erklärte Elizabeth. »Aber auf die Art können
wir hinter diesen Hecken zum Garten gelangen.«
»Eine ausgezeichnete Idee«,
murmelte er und folgte ihr hinter die besagten Hecken. Sie waren gut und gern
vier Meter hoch, so dass man vom Haus aus unmöglich sehen konnte, wer sich
dahinter befand. Überrascht stellte er fest, dass Elizabeth plötzlich zu rennen
anfing. Nun, es war vielleicht kein Rennen, aber doch etwas zwischen forschem
Gehen und Laufen. Da er jedoch viel längere Beine hatte als sie, brauchte er
nur etwas weiter auszugreifen, um mit ihr Schritt zu halten. »Haben wir es denn
wirklich so eilig?« fragte er.
Ohne stehen zu bleiben, drehte sie
sich um. »Ich mache mir große Sorgen um Lady Danbury.«
James hatte vor, die Zeit mit
Elizabeth zu nutzen, um mehr über sie zu erfahren, trotzdem trieb ihn sein Sinn
für Vernunft zu der Bemerkung: »Das Leben in Danbury House kann doch unmöglich
so ereignislos sein, dass der außergewöhnlichste Zwischenfall in diesem Sommer
eine sechsundsechzigjährige Frau ist, die im Garten ein Nickerchen
macht!«
Sie fuhr herum. »Es tut mir Leid,
wenn Sie sich in meiner Gesellschaft langweilen, aber wie Sie sich erinnern,
habe ich Sie nicht gezwungen, mich zu begleiten!«
»Oh, Ihre Gesellschaft ist alles
andere als langweilig!« widersprach er und schenkte ihr sein betörendstes
Lächeln. »Ich kann nur den Ernst der Lage nicht ganz nachvollziehen.«
Sie blieb stehen, stemmte die Hände
in die Hüften und betrachtete ihn streng.
»Sie könnten eine gute Gouvernante
abgeben, so, wie Sie jetzt aussehen.«
»Lady Danbury schläft niemals
tagsüber«, sagte sie und sah ihn aufgebracht an wegen seiner letzten
Bemerkung. »Eiserne Routine ist für sie lebenswichtig. Zwei Eier und drei
Scheiben Toast zum Frühstück. Jeden Tag. Eine halbe Stunde Sticken. Jeden Tag.
Post sortieren und beantworten um drei Uhr nachmittags. Jeden Tag. Und
...«
James hielt die Hand hoch. »Sie
haben mich überzeugt.«
»Und sie schläft niemals
tagsüber.«
Er nickte langsam, und ihm fiel
nichts mehr ein, was er daraufhin noch hätte sagen können.
Sie drehte sich wieder um und lief
so schnell sie konnte weiter. James folgte ihr etwas gemächlicher. Der Abstand
zwischen ihnen vergrößerte sich, und er hatte sich schon damit abgefunden, dass
auch er etwas schneller würde gehen müssen, da entdeckte er eine herausragende
Baumwurzel weiter vorn auf dem Weg.
»Passen Sie auf die ...«
Sie landete unsanft auf dem Boden,
den einen Arm anmutig hochgehoben, den anderen nach unten ausgestreckt, um
den Sturz abzufangen.
»... Wurzel auf.« Er eilte zu
ihr. »Haben Sie sich verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Natürlich
nicht.« Dabei verzog sie jedoch das Gesicht, so dass er ihr nicht ganz
glaubte.
Er ging neben ihr in die Hocke und
wollte nach der Hand greifen, auf die sie gestürzt war. »Und was ist
hiermit?«
»Nichts«, behauptete sie und
zog die Hand fort.
»Ich fürchte, dessen muss ich mich
selbst vergewissern.«
»Irgendwie kann das alles nur Ihre
Schuld sein«, stieß sie halblaut hervor.
Überrascht sah er auf. »Meine
Schuld?«
»Ich weiß auch nicht, wie oder
warum, aber wenn es noch eine Gerechtigkeit auf der Welt gibt, dann ist es Ihre
Schuld.«
»Wenn dem wirklich so ist, dann muss
ich es unbedingt wieder gutmachen und mich um Ihre Verletzungen kümmern.«
»Ich habe aber keine ...«
»Ein Nein lasse ich nicht
gelten.«
Seufzend hielt sie ihm die Hand hin.
»Hier.«
James bewegte vorsichtig ihr
Handgelenk, und sie verzog keine Miene, bis er die Hand leicht zurückbog.
»Au!« entfuhr es ihr, und sie
schien sich im selben Moment zu ärgern, dass sie sich verraten hatte. »Es hat
nicht sehr wehgetan«, beeilte sie sich zu versichern. »Verstaucht ist sie
ganz bestimmt nicht.«
»Wahrscheinlich haben Sie
Recht«, stimmte er zu, denn er konnte keine Schwellung entdecken.
»Trotzdem sollten Sie diese Hand für ein, zwei Tage schonen. Vielleicht möchten Sie ins Haus zurückgehen und etwas Kaltes darauf legen?«
»Dazu habe ich keine Zeit«,
teilte sie ihm knapp mit und stand auf. »Ich muss nach Lady Danbury
sehen.«
»Wenn sie tatsächlich schläft, wie
Sie vermuten, dann denke ich, dass Ihre Befürchtungen etwas übertrieben
sind.«
Sie warf ihm einen aufgebrachten
Blick zu.
»Mit anderen Worten«, fuhr er
so sanft wie möglich fort, »es hat gar keinen Sinn, dass Sie sich so
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