Julia Quinn
tragen lassen müsste.
Aber natürlich erst, nachdem die beiden Damen gegangen waren.
Er unterdrückte ein Stöhnen. Er hasste es,
krank zu sein.
Sobald sie in der Kutsche saßen, erlaubte Honoria sich, ihre Nerven zu
entspannen. Marcus sah zwar krank aus, aber nicht so schlimm, als dass ihn eine
Woche Ruhe und Hühnerbrühe nicht kurieren würden. Der friedliche Moment wurde
jedoch abrupt zerstört, als Cecily verkündete: »Einen Monat.«
Honoria blickte auf. »Wie bitte?«
»Das ist meine Voraussage.« Cecily reckte den Zeigefinger in
die Höhe, ließ ihn erst ein wenig kreisen und stellte ihn dann kerzengerade
auf. »Ich gebe Lord Chatteris einen Monat, bis er den Heiratsantrag
macht.«
»Wem denn?«, fragte Honoria und versuchte ihr Entsetzen zu
verbergen. Marcus hatte keine besondere Vorliebe für Cecily an den Tag gelegt,
und außerdem sah es ihr überhaupt nicht ähnlich, so großspurig zu sein.
»Dir, du Gänschen.«
Honoria hätte sich beinahe an ihrer eigenen
Zunge verschluckt. »Oh«, sagte sie heftig. »Oh. Oh. Oh. Oh, nein.«
Cecily grinste nur.
»Nein, nein.« Wenn Honoria schon mal vor Schreck einsilbig
wurde, dann tat sie das auf sehr wortreiche Art. »Nein«, sagte sie noch
einmal. »Oh nein.«
»Ich würde mich sogar zu einer Wette hinreißen lassen«, fuhr
Cecily spitzbübisch fort. »Bis zum Ende der Saison bist du verheiratet.«
»Das möchte ich doch hoffen«, erklärte Honoria, die endlich
wieder über ihren Wortschatz verfügen konnte, »aber nicht mit Lord
Chatteris.«
»Ach, auf einmal heißt er Lord Chatteris, was? Du glaubst doch
nicht etwa, es sei mir nicht aufgefallen, dass du ihn die ganze Zeit mit
Vornamen angeredet hast.«
»Wir kennen uns eben von klein auf«, protestierte Honoria.
»Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, war ich sechs.«
»Das kann schon sein, aber ihr beide habt ...
Oh, wie soll ich es sagen?« Cecily spitzte die Lippen und sah zum Kutschendach
empor. »Ihr habt euch benommen, als wärt ihr längst verheiratet.«
»Sei doch nicht albern.«
»Ich sage nichts als die Wahrheit«, erklärte ihre Freundin
und wirkte sehr zufrieden mit sich. Sie lachte. »Warte nur, bis ich es den
anderen erzähle.«
Honoria hätte sich beinahe auf sie gestürzt.
»Wag es ja nicht!«
»Dafür, dass es nicht stimmt, regst du dich
aber ziemlich auf.«
»Bitte, Cecily, ich versichere dir, dass zwischen Lord Chatteris
und mir nichts ist, und ich garantiere dir, dass wir niemals heiraten werden.
Derartige Gerüchte zu verbreiten bewirkt gar nichts, außer mir das Leben zur
Hölle zu machen.«
Cecily legte den Kopf schief. »Zwischen euch ist gar nichts?«
»Jetzt drehst du mir aber das Wort im Mund um, Cecily. Natürlich
mag ich ihn. Er war immer wie ein Bruder für mich.«
»Also schön. Ich sage nichts.«
»Dan...«
»Bis ihr verlobt seid. Und dann schreie ich es jedem ins Gesicht,
der es hören will: Ich habe es vorausgesehen!«
Honoria würdigte diese Bemerkung nicht einmal einer Antwort. Es
würde keine Verlobung geben, folglich würde auch nichts geschrien werden. Was
ihr erst später aufging, war, dass sie zum ersten Mal gesagt hatte, dass Marcus
für sie wie ein Bruder gewesen sei.
Vergangenheitsform.
Aber wenn er nicht länger ihr Bruder war, was
war er dann?
7. Kapitel
Am nächsten Tag kehrte Honoria nach London zurück. Die Saison würde
zwar erst in einem Monat beginnen, aber es galt, jede Menge Vorbereitungen zu
treffen. Laut ihrer Cousine Marigold, die kürzlich geheiratet hatte und gleich
an Honorias erstem Nachmittag in London vorbeikam, war Rosa im Moment der
letzte Schrei, wobei man bei der Putzmacherin aber unbedingt darauf achten
müsse, es Primel-, mohn- oder rubinfarben zu nennen. Außerdem brauchte man
dringend eine ganze Sammlung Armbänder. Ohne käme man gar nicht zurecht,
versicherte Marigold.
Honoria beschloss, später in der Woche bei der Putzmacherin
vorbeizuschauen. Aber bevor sie mehr tun konnte, als sich ihre
Lieblingsschattierung Rosa auszusuchen (der Einfachheit halber nahm sie gleich
Primel), erreichte sie ein Brief aus Fensmore.
Honoria nahm an, dass er von Marcus kam, und öffnete ihn begierig
und auch ein wenig überrascht darüber, dass er sich die Zeit genommen hatte,
ihr zu schreiben. Aber als sie das Blatt Papier entfaltete, war die Handschrift
viel zu feminin, um von seiner Hand gekommen zu sein.
Besorgt runzelte sie die Stirn und setzte sich, um den Brief zu
lesen.
Sehr geehrte Lady Honoria,
bitte verzeihen
Weitere Kostenlose Bücher