Julia Quinn
Geschmack bestimmt besser als ich.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte Honoria und sah
in ihren Tee. Aus irgendeinem Grund störte sie das.
»Wir haben hier auf Fensmore eine sehr gut sortierte Bibliothek«,
erklärte Mrs Wetherby stolz.
»Dann finde ich garantiert etwas«, sagte Honoria und setzte
ein strahlendes Lächeln auf.
»Etwas anderes bleibt dir auch gar nicht übrig«, bemerkte
ihre Mutter, »es sei denn, du willst ihm das Sticken beibringen.«
Honoria warf ihr einen panischen Blick zu und
sah das amüsierte Funkeln in ihren Augen. »Oh, kannst du dir das vorstellen?«,
sagte Lady Winstead lachend. »Ich weiß wohl, Männer können hervorragende
Schneider sein, aber ich bin mir sicher, dass die in ihren Hinterzimmern
Heerscharen von Näherinnen sitzen haben.«
»Ihre Finger sind zu groß«, stimmte Mrs Wetherby zu. »Sie
können die Nadel gar nicht richtig halten.«
»Nun, schlimmer als Margaret kann Marcus sich auch nicht
anstellen.« Lady Winstead wandte sich an Mrs Wetherby und erklärte: »Meine
älteste Tochter. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der im Umgang mit der
Nadel so ungeschickt ist wie sie.«
Honoria sah ihre Mutter interessiert an. Sie hatte gar nicht
gewusst, dass Margaret im Sticken eine solche Niete war. Aber Margaret war auch
siebzehn Jahre älter als sie. Sie hatte geheiratet und den Smythe-Smithschen
Haushalt verlassen, ehe Honoria überhaupt alt genug war, um Erinnerungen zu
formen.
»Gut, dass sie so viel Talent zum Geigenspielen hatte«, fuhr ihre
Mutter fort.
Honoria warf ihr einen scharfen Blick zu. Sie hatte Margaret
spielen hören. »Talent« war nicht das Wort, das sie gewählt hätte, um das
Spiel ihrer Schwester zu beschreiben.
»Alle meine Töchter spielen Geige«, sagte Lady Winstead
stolz. »Sie auch, Lady Honoria?«, erkundigte sich Mrs Wetherby. Honoria
nickte. »Ich auch.«
»Ich wünschte, Sie hätten Ihr Instrument mitgebracht. Ich hätte
Sie so gern einmal gehört.«
»Ich bin nicht so talentiert wie meine Schwester Margaret«,
versetzte Honoria. Was tragischerweise der Wahrheit entsprach.
»Ach, nun sei nicht albern.« Ihre Mutter tätschelte ihr spielerisch
den Arm. »Ich fand dich letztes Jahr einfach großartig. Du müsstest nur etwas
mehr üben.« Sie wandte sich wieder an die Haushälterin. »Unsere Familie
veranstaltet jedes Jahr eine musikalische Soiree. Die Eintrittskarten dazu sind
sehr begehrt.«
»Was für ein Geschenk, aus einer so musikalischen Familie zu
kommen.«
»Oh ja«, brachte Honoria mühsam heraus.
»Ich möchte doch hoffen, dass deine Cousinen während deiner
Abwesenheit ordentlich üben«, merkte ihre Mutter mit besorgter Miene an.
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll«, wandte
Honoria ein. »Wir sind ein Quartett. Man kann eigentlich nicht proben, wenn
eine Geige fehlt.«
»Ja, vermutlich hast du recht. Ich meine ja nur, weil Daisy noch
so unerfahren ist.«
»Daisy?«, fragte Mrs Wetherby.
»Meine Nichte«, erklärte Lady Winstead. »Sie ist noch sehr
jung und ...«, sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, obwohl Honoria
sich wahrhaftig keinen Grund denken konnte, der das erforderlich gemacht hätte,
»... nicht sehr begabt.«
»Ach herrje.« Mrs Wetherby legte bekümmert eine Hand auf
ihren Busen. »Was wollen Sie da nur tun? Ihre musikalische Soiree ist
ruiniert.«
»Ich bin mir ganz sicher, dass Daisy mit uns
anderen mithalten kann«, warf Honoria mit schwachem Lächeln ein. Daisy war
zwar wirklich schlecht. Trotzdem war kaum vorstellbar, dass das Quartett
wegen ihr noch schlimmer klang. Und sie brachte immerhin den dringend
benötigten Enthusiasmus in die Gruppe ein. Sarah behauptete immer noch, dass
sie sich lieber die Zähne ausreißen ließe, als noch einmal mit den anderen
aufzutreten.
»War Lord Chatteris je auf einer Ihrer Soireen?«, erkundigte
sich Mrs Wetherby.
»Oh, er kommt jedes Jahr«, erwiderte Lady Winstead. »Er sitzt
immer in der ersten Reihe.«
Ein wahrer Heiliger, dachte Honoria. Zumindest an einem Abend im
Jahr.
»Er liebt Musik so sehr«, schwärmte Mrs
Wetherby.
Mehr als ein Heiliger, ein Märtyrer.
»Dieses Jahr wird er wohl verzichten müssen«, bedauerte Lady
Winstead. »Vielleicht können wir die Mädchen ja zu einem Sonderkonzert hierher
bringen.«
»Nein!«, rief Honoria aus. Die beiden Frauen drehten sich
erstaunt zu ihr um. »Ich meine, das würde ihm bestimmt nicht gefallen. Es ist
ihm nicht recht, wenn man sich seinetwegen Umstände macht.«
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