Julia Saison Band 01
…“, Anderson deutete mit dem Daumen in Chucks Richtung, „… die Hälfte seiner DNA gespendet hast.“
„Herrje, eine Nacht der Leidenschaft und …“
„So genau wollen wir es gar nicht wissen“, unterbrach Chuck seinen Vater.
„Habe ich vorhin eine Frauenstimme gehört?“, fragte Anderson.
„Hast du.“ Chuck überlegte, ob er Anderson vorwarnen sollte.
Doch da rief Linda: „Tim, kommt zum Essen! Du kannst dein Rennen aufzeichnen.“
„Ich dachte, wir essen hier vor dem Fernseher“, protestierte er, nur um sie aufzuziehen.
Sie reagierte nicht einmal darauf.
„Also dann, gehen wir.“ Tim drückte den Aufnahmeknopf am DVD-Rekorder. „Auf zu unserem ersten traditionellen Sonntagsdinner in diesem Jahr.“
„Dann sehen wir uns mal Chucks neue Freundin an. Ich wette, ich kann sie mit meinen Horrorgeschichten vergraulen“, sagte Anderson mit unrichterlicher Schadenfreude. In der Tür zum Esszimmer erblickte er Carly. Er blieb abrupt stehen und fragte verblüfft: „Sie?“
Chuck legte ihm einen Arm um die Schultern und schob ihn in den Raum.
Sie hob eine Hand zum Gruß. „ Andy “, säuselte sie förmlich und legte eine bedeutungsschwangere Pause ein, die seinen Spitznamen noch mehr betonte, „es ist schön, Sie außerhalb des Gerichtssaals zu sehen. Ich finde, das rosa Polohemd passt farblich viel besser zu Ihnen als die furchtbare schwarze Robe.“
Unwillkürlich blickte Anderson zu seinem nicht etwa rosa-, sondern lachsfarbenen Polohemd und fragte keineswegs freundlich: „Was machen Sie denn hier?“
„Anderson Bradley“, schalt Linda. „Ich lasse nicht zu, dass du diesen Ton gegenüber meinen Gästen anschlägst. Spar dir den für die Kriminellen in deinem Gericht auf.“
Er deutete zu Carly. „Sie war eine der Kriminellen in meinem Gericht, gerade erst letzte Woche.“
„Aber, Andy …“, setzte sie in verletztem Ton an. Dann verstummte sie abrupt, als könnte sie nicht weitersprechen.
Chuck hätte vor Gericht einen Eid darauf geschworen, dass die Tränen in ihren Augen echt waren – bis sie ihm verstohlen zuzwinkerte.
Niemand sagte etwas. Die Stille dehnte sich unbehaglich aus.
Schließlich erklärte er: „Es gab mildernde Umstände. Lasst uns mit dem Essen anfangen. Dann wird sie dir bestimmt alles haarklein erzählen, Mom.“
Sobald alle am Tisch Platz genommen hatten und das Essen herumgereicht wurde, fragte Linda: „Also, meine Liebe, was ist passiert?“
Chuck ahnte, dass Carly zur Höchstform auflaufen und eine oscarreife schauspielerische Leistung darbieten würde.
Sie füllte sich Kartoffeln auf ihren Teller und entgegnete: „Na ja, Mrs. Jefferson, es ist keine Kurzgeschichte.“
„Ach, das macht nichts. Wir haben Zeit. Aber ich habe gesehen, dass Sie vorhin Tränen in den Augen hatten. Wenn es Ihnen zu schwerfällt …“
„Schon gut. Aber zuerst einmal müssen Sie wissen, dass ich eigentlich kein schlechter Mensch bin.“
Oh ja, dafür verdient sie einen Oscar und einen Emmy dazu.
„Es hat alles damit angefangen, dass ich das Büro meines damaligen Mannes renoviert und neu eingerichtet habe. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, damit alles zusammenpasst und auf eine Anwaltskanzlei abgestimmt ist. Mein Exmann legt nämlich großen Wert darauf, auf andere Menschen Eindruck zu machen. Das größte Problem war für mich, die richtige Couch zu finden. Ich habe monatelang gesucht, aber schließlich bin ich fündig geworden. Diese Couch war einfach wundervoll. Sie hat nicht nur gesagt, sondern förmlich geschrien: Vertrau mir, ich kann deinen Fall gewinnen.“
Anderson spießte kraftvoll ein Stück Fleisch auf die Gabel. „Das ist eine ungeheuerliche Behauptung von einer Couch.“
Pikiert wandte Carly sich an ihn. „Ein Richter wie Sie, der sich als sichtbares Zeichen für seine Autorität eine Robe anzieht – und darüber hinaus den Leuten mit dem Vorwurf der Missachtung des Gerichts und ähnlichen nicht gerade netten Dingen droht – kann sicherlich nachvollziehen, dass ein Mann manchmal die Illusion von Macht braucht, um sein zartes männliches Ego zu stärken.“
„Aua, das hat gesessen“, murmelte Chuck. Er spürte, dass Carly beinahe die Beherrschung verlor, und lachte.
Sie betupfte sich die Augen mit ihrer Serviette, um ihre Belustigung zu verbergen. „Jedenfalls bin ich nach Dienstschluss in das Büro meines Mannes gefahren, um mit ihm die neue Einrichtung feierlich einzuweihen, und musste feststellen, dass er schon damit angefangen
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