Julia Saison Band 05
Das macht es einfacher, wenn du mir eine runterhauen willst.“
Mitch stellte sich vor Kellys Bruder. „In Ordnung.“
„Ich habe dich noch nie gemocht“, erklärte Tanner.
„Du bist nach Century City gefahren, nur um mir etwas zu sagen, was ich schon weiß?“
„Als Kelly damals herausgefunden hat, dass sie mit DeDe schwanger ist, habe ich ihr versprochen, dich zu finden.“
„Das weiß ich alles.“
„Ich bin noch nicht fertig. Ungefähr ein Jahr lang habe ich dich auch gesucht. Aber im Lauf der Zeit habe ich mich gefragt, warum in aller Welt ich weiter nach einem Kerl suchen soll, der nicht gefunden werden will. Also habe ich deine Akte in den Müll geschmissen. Kelly habe ich angelogen und behauptet, dass ich weiter am Ball bleibe. Ich habe mir sogar Hinweise ausgedacht, die dann leider nie zu etwas geführt haben …“ Tanner hielt inne und zog eine schwarze Augenbraue hoch. „Na, willst du mir inzwischen eine runterhauen?“
„Willst du damit sagen, dass Kelly wirklich geglaubt hat, du suchst nach mir? Und dass du sie jahrelang angelogen hast?“
„Genau. Ich habe gedacht, dass sie – und DeDe – besser dran sind ohne einen Kerl, der sich so wenig aus ihnen macht, dass er sich ohne einen Blick zurück aus dem Staub macht.“
Mitch wollte Tanner nach Strich und Faden verprügeln. Unbedingt sogar. Aber irgendwie schaffte er es, sich zurückzuhalten. „Hast du ihr erzählt, was du getan hast?“ Tanner nickte. „Und was hat sie dazu gesagt?“
„Sie ist stocksauer auf mich. Aber sie macht mir keine Vorwürfe. Jedenfalls nicht mehr als sich selbst. Und dir. Sie sagt, dass wir alle schuld sind. Ich, weil ich nicht nach dir gesucht habe. Sie, weil sie die Suche mir überlassen hat. Und du, weil du einfach abgehauen bist und nicht für sie da warst, als sie dich am meisten gebraucht hat.“
Mitch fluchte laut.
„Nur zu“, ermunterte ihn Tanner.
Mitch holte aus und schlug zu. Tanner stöhnte auf, als Mitch mit ungeheurer Wucht sein Kinn traf. Dann ging er zu Boden.
„Alles in Ordnung?“ Mitch streckte die Hand aus und half ihm hoch.
Tanner befühlte seinen Kiefer. „Ja. Mir geht es bestens. Ich habe aber ein paar Fragen.“
„Schön. Schieß los.“
„Wann kommst du mal über deine Verbitterung weg? Wann übernimmst du endlich die Verantwortung für deine Familie? Wann kommst du nach Hause, wo du hingehörst, verdammt noch mal?“
Noch lange nachdem Tanner gegangen war, stand Mitch vor den hohen Fenstern, die bis zur Decke reichten. Er starrte hinaus auf das nächtliche Lichtermeer der Stadt und dachte darüber nach, was Kellys Bruder gesagt hatte.
Die Situation war so verfahren. Vor allem sein Anteil daran. War überhaupt noch etwas zu retten? Nachdem er ihr so lange nicht verziehen hatte, würde Kelly jetzt eine Entschuldigung annehmen? Da hatte er so seine Zweifel.
Schließlich fuhr er den Computer hinunter und verließ das Büro. Er hasste es, ganz allein in sein leeres Haus in Malibu zurückzukehren. Aber er hatte keine Alternative.
In der Lobby war die Hölle los.
Doug und Deke, die beiden Männer vom Sicherheitsdienst, waren dabei, einen Hund um die Rezeption herumzuscheuchen. Es handelte sich um ein jämmerliches, ausgemergeltes braunes Vieh, ohne Halsband und mit struppigem Fell. Der Hund hechelte mit heraushängender Zunge. Auf dem Marmorfußboden fand er mit den Krallen keinen Halt und rutschte und schlitterte hin und her – trotzdem schaffte er es, den Wachmännern zu entkommen. Lachend versuchten die beiden, ihn in eine Ecke zu treiben.
„Jetzt“, keuchte Doug. „Du hast ihn …“
Deke stürzte sich mit einem Schrei auf den Hund, der es irgendwie doch wieder fertigbrachte, ihnen zu entschlüpfen.
„Was ist denn hier los?“, fragte Mitch.
„Mr Valentine!“ Die beiden Männer nahmen Haltung an, während der Hund abermals flüchtete und sich in einer Ecke hinter einer Topfpflanze versteckte.
„Deke ist die Straße runter zu Starbucks gegangen.“ Doug deutete auf die beiden großen Kaffeebecher auf der Theke. „Irgendwie ist dieser Hund hereingeschlüpft, als er wiederkam. Wir versuchen nur ihn einzufangen, damit wir ihn wieder rausschmeißen können.“
Neben der Topfpflanze hatte sich der Hund auf die dünnen Hinterbeine gesetzt und beobachtete sie aufmerksam. Die Zunge hing ihm immer noch aus dem Maul. Das Tier sah aus, als ob es jedes Wort verstehen konnte. Jetzt winselte der Hund leise und hoffnungsvoll und schaute Mitch mit seelenvollen
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