Julia Saison Band 05
ein Wochenende oder vielleicht auch länger. Irgendwann, wenn du keine Schule hast.“ Sie schüttelte wieder den Kopf. „DeDe, hör auf, den Kopf zu schütteln. Hör mir zu.“
Sie fuhr herum. „Nein. Du kannst nicht weg. Das ist nicht fair. Das geht nicht!“
„Ich reise ab. Ich muss wegfahren.“
„Nein, verstehst du, das musst du nicht. Niemals. Das musst du nicht.“
„Doch.“
Tränen stiegen ihr in den großen Augen auf und liefen ihr die Wangen hinunter. „Ich will nicht, dass du weggehst. Du sollst hierbleiben!“
„DeDe …“
„Nein! Nein, nein, nein, nein …“ Sie warf sich auf die Kissen und schluchzte, als ob es sich um das Ende der Welt handelte.
Er hatte keine blasse Ahnung, was er als Nächstes tun sollte. Also stand er auf. „Ich … ich komme noch mal wieder. Später. Um mich zu verabschieden.“
„Nein, nein, nein, nein …“
„Ich hoffe, dass du dich bis dahin beruhigt hast.“
Er war sich nicht sicher, ob sie ihn gehört hatte. Sie weinte, als ob sie nie wieder aufhören würde. Zwischen den Schluchzern rief sie immer noch: „Nein! Nein, nein, nein …“
Er ging aus dem Zimmer und machte leise die Tür hinter sich zu.
Und dann blieb er ein paar Minuten lang vor der Tür stehen. Ihr Weinen schnürte ihm schmerzhaft die Brust zu. Wie könnte er sie bloß beruhigen?
Er hasste sich dafür, dass er sie zum Weinen gebracht hatte. Die Situation wäre leichter gewesen, wenn Kelly dabei gewesen wäre. Er warf einen Blick auf die Uhr. Kurz nach halb elf. Dann kam Kelly bald nach Hause. Sie wusste bestimmt, was zu tun war …
Er ging in die Küche, setzte sich an den Tisch und wartete. Jede Minute dauerte eine Ewigkeit. Wenigstens konnte er von hier aus das Schluchzen seiner Tochter nicht mehr hören.
Zwei Minuten vor elf Uhr hörte er, wie sich das Garagentor öffnete. Allerhöchste Zeit, verdammt noch mal.
Kelly kam herein. „Lieber Himmel“, sagte sie bei seinem trostlosen Anblick. „Was ist denn los?“
„Ich habe ihr gesagt, dass ich abreise. Und es ist nicht gut gelaufen. Sie wollte nicht zuhören und hat angefangen zu weinen.“
Kelly legte ihre Handtasche auf die Arbeitsfläche. „Ist sie in ihrem Zimmer?“
Er nickte. „Da kommt sie nie drüber hinweg.“
Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Dann hielt sie inne und wich wieder zurück. „Mitch, natürlich wird sie darüber hinwegkommen.“
„Das weißt du nicht. Du warst nicht dabei.“
„Ich rede mit ihr.“
„Bitte. Auch wenn das nichts helfen wird.“
Sie nickte und ließ ihn stehen.
Wieder musste er warten. Sechs ganze Minuten. Er starrte die ganze Zeit die Küchenuhr an.
Schließlich hörte er Schritte im Flur.
DeDe kam herein. Ihre Nase war ganz rot, und ihre Augen waren geschwollen. Aber sie weinte nicht mehr. Sie blieb auf der Türschwelle stehen und ließ den Kopf hängen. Dabei sah sie sehr klein und traurig aus. Endlich straffte sie die Schultern und schaute ihn an. „Ich wünschte, du müsstest nicht abreisen. Aber Mom sagt, das muss sein.“
Es musste etwas geben, das er in diesem Augenblick sagen konnte. Er hatte nur keine Ahnung was. Also breitete er einfach die Arme aus.
„Oh Dad …“ Sie fiel ihm um den Hals. Er hatte kaum genug Zeit, um aufzustehen. Er umarmte sie, und sie umarmte ihn. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Es tut mir so leid. Ich wollte einfach nicht, dass du weggehst …“
Er schaute auf sie hinunter, auf das glänzende Haar, die schmalen Schultern und wie eng sie die Arme um ihn geschlungen hatte. Wie sehr sehnte er sich danach zu bleiben, hier zu leben, mit ihr.
Und mit Kelly.
Wenn doch nur alles anders wäre …
Aber das war es eben nicht. Es gab eben Dinge, über die ein Mann nicht wegkam. Dinge, die ein Mann nie vergeben konnte.
10. KAPITEL
Komisch, wie leicht man sich daran gewöhnte, einen Mann um sich zu haben, wenn es der Richtige war. Wie schnell man anfing, sich auf ihn zu verlassen.
Und es ging nicht nur um das Offensichtliche, wie die Tochter herumzuchauffieren, mit dem Abwasch zu helfen, abends und morgens als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen …
Es ging um viel mehr. So viel mehr.
Mitch hatte eine Leere hinterlassen, eine Lücke in ihrem Leben, die er ausgefüllt hatte. Mit seiner Stärke. Mit seiner Intelligenz. Mit seinem Sinn für Humor, der sich so oft zeigte, obwohl seine Persönlichkeit auch ihre dunklen Seiten hatte.
Kelly vermisste ihn. Es tat so weh, ihn noch einmal zu verlieren. Ohne ihn wirkte ihre
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