Julia Saison Band 11
verzweifeltes Seufzen und ergänzte ihre Bitte. „Leg los mit den Einzelheiten. Erzähl mir, was passiert ist.“ Und als sie daraufhin nicht postwendend Antwort bekam, holte sie etwas weiter aus. „Du und Blake, ihr kamt beide mit einem völlig verstörten Gesichtsausdruck zu mir. In etwa so, als hättet ihr den Kühlschrank aufgemacht und darin eine Marzipantorte vorgefunden, obwohl ihr einen vergammelten Salatkopf erwartet habt. Was ist zwischen euch vorgefallen?“, wiederholte sie, diesmal energischer. „Spuck es aus. Alles .“
Ihre Augen hefteten Katie dort fest, wo sie gerade stand.
„Ich habe deinen Rat befolgt“, begann Katie langsam. „Ich habe Blake Tanzunterricht gegeben.“
Wendy zuckte leicht zusammen. „Blake hat zwei linke Füße.“
„Das sagte er mir. Aber so übel hat er sich gar nicht angestellt.“
Wendy wartete noch immer ungeduldig auf eine Erklärung für die betäubten Mienen der beiden.
„Also, seine Füße waren dann wohl nicht der Grund für deinen verwirrten Gesichtsausdruck“, stellte Wendy mit zusammengekniffenen Augen fest. Geduld war noch nie ihre Stärke gewesen. „Muss ich denn wirklich um eine vernünftige Antwort betteln?“
„Natürlich nicht“, protestierte Katie.
„Dann rede endlich!“, befahl Wendy unter Aufbietung ihrer restlichen Geduld.
Einerseits erschien es Katie irgendwie albern, so etwas in ihrem Alter auszusprechen, andererseits hatte sie fast das Gefühl, Blake zu hintergehen, indem sie aus dem Nähkästchen plauderte. Sie musste erst mal tief durchatmen, ehe sie schließlich gestand: „Er hat mich geküsst.“
Wendy fielen fast die Augen aus dem Kopf. Und im nächsten Augenblick grinste sie so breit, dass ihr Gesicht aussah, als drohte es auseinanderzubrechen.
5. KAPITEL
Wendy brauchte eine Sekunde, um sich zu fassen. Ihre Aufregung über den offensichtlich wichtigen Durchbruch für Katie und Blake hatte einen unerwarteten – und beunruhigenden – Nebeneffekt. Sie verspürte einen stechenden Schmerz, einen starken stechenden Schmerz, der sie an ihre vorzeitigen Wehen erinnerte.
Vorsichtig atmete sie tief ein und aus, wobei sie die Hände in die Laken rechts und links von sich krallte und ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Nach knapp zwei Minuten – die ihr vorkamen wie ein ganzes Leben – ließen die Schmerzen schließlich nach. Ihr Körper war schweißbedeckt, und der Raum drehte sich um sie, so schwindlig war ihr.
„Wendy, geht es dir gut?“, hörte sie Katie besorgt fragen.
Katies Stimme schien in ihrem Kopf widerzuhallen.
Erst nach einer weiteren Sekunde war Wendy in der Lage zu antworten. Sie wollte Katie auf keinen Fall mit ihrer Kurzatmigkeit beunruhigen. Schließlich tat sie doch nichts anderes, als den ganzen Tag im Bett zu liegen.
„Mir geht’s gut, wirklich, ich bin nur völlig außer mir wegen dieses Kusses“, log Wendy und konzentrierte sich auf ihre Atmung. „Gut, also Blake hat dich geküsst. Und was geschah dann?“
Katie war sich nicht sicher, was ihre Freundin hören wollte. „Ich habe seinen Kuss erwidert.“
Nun gewann bei Wendy wieder die Ungeduld die Überhand. „Und?“
„Und es war wunderschön“, gestand Katie. Ein wehmütiger Seufzer begleitete ihre Worte.
Wendy kannte ihre Freundin viel zu gut, um zu denken, sie sei schüchtern oder wolle sich mit ihren spärlichen Informationen interessant machen. Katie begriff offensichtlich ihre Frage nicht. Daher musste sie weiter in sie dringen. „Und was geschah, nachdem ihr euch geküsst habt?“
Arglos zuckte Katie mit den Schultern. „Wir kamen hierher.“
Wendy artikulierte nun jedes Wort. „Und dazwischen war nichts?“
„Hm, doch“, gab Katie nach. Da sie sich keinen Leihwagen genommen hatte, lag es eigentlich auf der Hand, trotzdem fügte sie hinzu: „Blake ist gefahren.“
Wendy presste die Lippen aufeinander und unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. Sie bedachte Katie mit einem durchdringenden Blick, denn sie wusste sehr wohl, dass die Freundin sie nicht veralberte, sondern ganz ehrlich erzählte.
Da es keine feinfühlige Formulierung für ihre Frage gab, stellte Wendy sie ganz unverblümt: „Weißt du eigentlich, wie man flirtet, Katie?“
Katies normalerweise warme braune Augen sahen sie wachsam an. „Flirten gehörte nicht zu den Kursen, die ich an der Universität belegen musste.“
So viel dazu, dachte Wendy. Die Freundinnen hatten sich länger nicht gesehen, und Menschen veränderten sich ja manchmal – wofür
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