Julia Saison Band 11
beugte sich zu ihr und schob damit die anderen Familienmitglieder quasi aus Wendys Blickfeld, sodass es schien, als seien nur er und Wendy im Raum.
„Keine Nachwirkungen? Alles okay?“, fragte er in etwas milderem Ton, der trotzdem noch irgendwie geschäftsmäßig klang.
„Ja, Dad, alles in Ordnung. Ehrlich“, betonte Wendy, als er misstrauisch die Augenbrauen hob – wie früher, wenn er sie dabei erwischte, dass sie nach zwei Uhr morgens ins Haus schlich. Dabei war sie damals schon achtzehn gewesen.
„Und das Baby?“
„Ja, wie geht es ihr?“, stimmte Virginia mit ihrer sanften Stimme ein.
„Ihr geht es auch gut. Sie ist nur ein bisschen klein, daher wollen sie MaryAnne sicherheitshalber noch eine Weile in der Klinik behalten.“ Sie sprach diese Worte so gelassen aus, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, dass es ihr fast das Herz zerriss, ihr kleines Mädchen allein im Krankenhaus zu lassen, während sie selbst am nächsten Tag nach Hause durfte.
„Dann hast du also wirklich ein Mädchen geboren“, sagte John Michael, und es klang, als hätte er bislang das Ergebnis der Fruchtwasseruntersuchung angezweifelt.
„Ja, Dad, sie ist ein Mädchen“, antwortete Wendy und ließ ihn ihre Belustigung nicht merken.
„Und sie heißt MaryAnne.“
Sie konnte die Missbilligung in seiner Stimme hören. „Keine Sorge, Dad, sie wird kein Einzelkind bleiben. Sollte das nächste Kind ein Junge werden, dann nennen wir ihn vielleicht nach dir.“
Die Aussicht darauf schien ihn etwas milder zu stimmen.
„Ich finde, MaryAnne ist ein wunderschöner Name“, sagte Virginia Fortune und lächelte ihre Tochter an. „Mir gefällt er.“
„Ist doch ganz egal, wie sie heißt“, meinte Wendys Schwester Emily voller Inbrunst. „Hauptsache, sie ist gesund.“
John Michael zuckte mit den Schultern. „Nun, offensichtlich haben wir ja ohnehin kein Mitspracherecht beim Namen.“ Er wirkte immer noch enttäuscht.
Wendy fühlte sich gezwungen, ihre Entscheidung zu verteidigen. „Dad …“
Doch ihr Vater hob beschwichtigend die Hände, ehe sie weitersprechen konnte. „Hey, ich sagte doch schon, der Name ist gar nicht so schlecht“, erinnerte er sie.
Wieder öffnete sich die Tür, und Wendy blickte voller Hoffnung auf Verstärkung oder Ablenkung dorthin. Ihr Vater hatte die unangenehme Angewohnheit, auf einem Thema herumzureiten, wenn er Gefallen daran fand.
Als sie Blake und Katie eintreten sah, war sie daher mehr als erleichtert. „Schön, dass ihr wieder da seid.“
„Wir sagten doch, dass wir kommen würden“, erwiderte Blake und stellte sich seinem Vater gegenüber neben ihr Bett.
Katie fiel sofort auf, dass er „wir“ sagte, wo er doch heute Morgen nur von sich gesprochen hatte. War das schon ein Fortschritt? Oder nur die Nachwirkung von zu viel Cayennepfeffer? fragte sie sich. Wie auch immer – es tat ihr gut.
8. KAPITEL
Während sie alle um ihr Bett standen, wurde das Stimmengewirr im Raum immer lauter. Jeder versuchte, den anderen zu übertönen und Wendys Aufmerksamkeit zu erregen.
Virginia bemühte sich immer wieder, den Lärmpegel zu dämpfen. Da ihr dies nicht gelang, war es unvermeidbar, dass die Lautstärke auch von anderen bemerkt wurde.
Der Besuch war kaum zehn Minuten da, als eine große, etwas korpulente ältere Krankenschwester mit dem Auftreten eines Offiziers ihren Kopf in das überfüllte Krankenzimmer steckte, um zu sehen, was hier los war.
„Hier sind viel zu viele Leute im Zimmer“, sagte sie beim Eintreten. „Ich fürchte, Sie müssen sich abwechseln beim Besuch der jungen Mutter.“ Ihr Tonfall ließ keinen Widerspruch zu.
Dennoch baute Wendys Vater sich zu seiner vollen imposanten Größe auf und blickte missmutig auf die Krankenschwester hinunter, die ungefähr einen Kopf kleiner war als er. „Junge Frau, wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“
Völlig unbeeindruckt erwiderte sie seinen stahlharten Blick. „Einer von denen, die draußen auf dem Flur warten werden, bis sie an der Reihe sind, die junge Mutter zu besuchen“, erwiderte sie gelassen.
Die Augen von Wendys Vater verengten sich zu Schlitzen. „Ich bin John Michael Fortune“, informierte er sie kalt, „und ich habe dieser Klinik erst kürzlich eine beträchtliche Spende zukommen lassen, weil meine Tochter hier so gut versorgt wurde, als sie vorzeitige Wehen bekam.“
„Tatsächlich?“ Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde die Krankenschwester sich geschlagen geben, aber dann nickte sie
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