Julia Saison Band 11
außerdem Teig für die Backwaren am Nachmittag vorbereitet. Sie war fest entschlossen, zu gehen. Zum Glück läutete die Kuhglocke an der Eingangstür des Cafés und ersparte ihr weitere Erklärungen. Sie griff nach einem der Brotkörbe, nahm das Omelett entgegen, auf das sie gewartet hatte, und begab sich zurück in den Speiseraum.
Noch bevor sie den Tresen umrundet hatte, wurde ihr die Veränderung in der Atmosphäre bewusst. Schweigen erfüllte den großen Raum. Dann bemerkte Merritt, dass alle Blicke auf den Neuankömmling an der Eingangstür gerichtet waren. Eine imposante Erscheinung kämpfte da gegen den Wind an, um die Tür hinter sich zu schließen. Kräftig gebaut und muskelbepackt, wie der Mann war, gewann er den Kampf. Dann sah er sich mit einer Mischung aus Skepsis und der gleichen Ablehnung in den Augen um, die einige der Anwesenden plötzlich ausstrahlten.
Nach einem einzigen Blick in sein Gesicht, dessen Teint und strenge Züge seine indianische Herkunft verrieten, wandte sich eine Reihe von Gästen gleich wieder ab und aß weiter. Die übrigen ließen sich Zeit, doch der Geräuschpegel der Unterhaltungen war beträchtlich gesunken.
Der Fremde hatte nicht die klassische Figur eines Basketballspielers, maß aber mindestens einen Meter achtzig, was eine Frau von einssechzig schon einschüchtern konnte. Seine Jeansjacke war zu leicht für die Wetterverhältnisse und ebenso wie seine Jeans eine halbe Nummer zu klein.
Kein Wunder, dass Nikki den Mann aus der anderen Ecke des Raums mit offenem Mund begaffte. Normalerweise stürzte sich das rothaarige Energiebündel auf jeden Mann, der zur Tür hereinkam, sofern es sich nicht um einen Stammkunden handelte. Sogar Nikkis Kleidung war auf Kundenfang ausgerichtet: Heute trug sie einen hautengen grünen Pulli und Jeans, die kaum etwas der Fantasie überließen. Doch mit diesem Mann trieb man kein leichtfertiges Spiel. Merritt hatte seinen Namen zwar noch nicht gehört, doch ihr war klar, dass sie Cain Paxton vor sich haben musste.
Als sein Blick auf einen freien Platz am Tresen fiel, legte der Nebenmann demonstrativ seinen Hut darauf. Merritt schämte sich für den Gast, einen von Leroys Stammkunden, setzte ihrem Kunden rasch seinen Teller vor und beeilte sich, die Situation zu entschärfen. „Nehmen Sie Platz, wo immer Sie wollen.“
Die Art, wie sie die Worte kurzatmig hervorstieß, verriet ihr, dass sie genauso nervös war wie alle anderen. Als der düstere Blick des Mannes sie traf, überlegte sie, ob der Kontakt mit einem Elektroschocker sich wohl so ähnlich anfühlte.
„Offenbar haben einige von deinen Gästen etwas dagegen einzuwenden“, sagte er.
Sie schluckte, wandte den Blick ab und sah sich verzweifelt um, bis ihr am anderen Ende des Tresens ein Ecktisch ins Auge fiel. Der Platz wurde kaum jemals besetzt und würde sich vermutlich als ziemlich beengt für den Mann erweisen, trotzdem hörte Merritt sich sagen: „Ist es Ihnen dort recht, Sir?“ Sie rückte näher an den Tresen, griff nach einer Speisekarte und führte Paxton dann umständlich zwischen den Tischen hindurch zum Ecktisch.
„Perfekt“, versicherte er.
Wie erwartet setzte er sich mit dem Rücken zur Wand, sodass er die Tür im Auge behielt, doch er konnte nur ein Bein unter dem Tisch unterbringen. Das andere streckte er in den Durchgang aus.
Merritts Mund war trocken, und es klang beinahe wie ein Krächzen, als sie fragte: „Kaffee? Fruchtsaft?“
„Nur einen Kaffee. Schwarz.“
„Kommt sofort.“
Was dann passierte, war lächerlich, zumal Merritt genau wusste, dass dieses lange Bein im Wege war. Doch wie ein Vogel, den sein Spiegelbild in einer Fensterscheibe irritierte, brachte sie es fertig zu stolpern, als sie sich umdrehte. Ohne Chance, sich abzufangen, rechnete sie fest mit einem Sturz auf die Nase. Doch zu ihrer Überraschung bremste eine starke Hand ihren Fall. Einen Herzschlag später wendete eine zweite Hand die Katastrophe endgültig ab.
„Entschuldigung“, murmelte sie. Kaum löste er seinen Griff, humpelte sie tief beschämt davon, ohne einen Blick zurück zu wagen.
Weil der Tisch mehr oder weniger im toten Winkel stand, war sie vor den Blicken der meisten Gäste geschützt gewesen, dennoch spürte Merritt die besorgte Musterung derjenigen, die Zeugen der Szene geworden waren. Ihre Wangen glühten vor Verlegenheit. Bestimmt dachte so mancher bei sich, Geschieht dir recht , weil sie sich nicht geweigert hatte, Paxton zu bedienen. Doch Alvie hatte
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