Julia Saison Band 11
war, bedurfte der Holzofen bei kaltem Wetter sorgfältiger Überwachung. Zwar hatte Alvie für einen guten Holzvorrat gesorgt, doch Merritt hatte fast ihren gesamten ersten Winter in Montana gebraucht, um sich in die vertrackte Funktionsweise des Ofens einzuarbeiten.
Als sie hinter der Kurve freie Sicht auf das Häuschen hatte, zuckte sie erschrocken zusammen. Ein schwarzer Pick-up stand vor dem Grundstück am Straßenrand. Hatte da jemand einen Motorschaden oder einen platten Reifen? Niemand hatte sie auf ihrem Heimweg überholt, und sie kannte den alten Pick-up mit den Lackschäden nicht. Aber das Fahrzeug stand von ihrem Blickwinkel aus gesehen in Fahrtrichtung, also musste es aus ihrer Richtung gekommen sein.
Und wenn jemand das Grundstück auskundschaftete? Hätte der Besucher einen guten Grund für sein Kommen, wäre er doch auf die Zufahrt gefahren, oder? Doch sie sah keinen Menschen, nur den Pick-up. War der Fahrer längst ins Haus eingebrochen?
Ein Spurt zum Haus kam nicht infrage, wenn sie dieses Mal nicht tatsächlich auf die Nase fallen wollte, doch Merritt beschleunigte ihren Schritt. Außer Atem, das Gesicht schmerzverzerrt, erreichte sie schließlich die Zufahrt. Von dort sah sie, wie ein Mann die Stufen auf der anderen Seite der Veranda hinaufstieg und zum vorderen Fenster zurückging, durch das er, indem er mit beiden Händen seine Augen abschirmte, ins Haus zu spähen versuchte.
„Hey! Was tun Sie da?“, rief sie.
Er drehte sich abrupt um, und Merritt stockte der Atem. Es war Cain Paxton! Im Nu legte sich ihre Empörung und machte Angst Platz.
Unsicher hinkte sie die kurze Zufahrt hinauf und rang nach Luft, als sie am Fuß der Treppe angelangt war. „Woher wissen Sie, wo ich wohne?“, fragte sie. Der Wind zerrte an ihrer Jacke und ihrem Haar.
Paxton schob die Hände tief in die Taschen seiner Jeansjacke und zog den Kopf ein. Sein schwarzes Haar, obwohl nicht übermäßig lang, peitschte wild um sein Gesicht herum. „Ich wusste es nicht. Ich habe hier angehalten, weil ich dachte, das Haus könnte noch leer stehen. Ich wollte Alvie fragen, wie viel Miete sie dafür verlangt.“
„Es ist vermietet. An mich.“
Er musterte sie wieder von Kopf bis Fuß, ausgiebiger als vorher, dann blickte er über ihre Schulter hinweg. „Ein scheußlicher Tag, um aufs Auto zu verzichten.“
„Ich habe keines.“
Das brachte ihr einen finsteren Blick ein, der den Mann härter und böser erscheinen ließ. Die Art, wie Wind und Kälte seinem Haar und seinem kantigen Gesicht zusetzten, verlieh ihm in ihren Augen etwas Bedrohliches. Etwas Dunkles. Wieso um alles in der Welt glaubte Leroy, dass sie sich von einer solchen Naturgewalt von einem Mann angezogen fühlen könnte, selbst wenn er nichts von ihrer Vergangenheit ahnte?
„Du bist den ganzen Weg zu Fuß gegangen?“, fragte Paxton, und sein Tonfall war genauso verächtlich wie seine Miene. „Du hast wohl eine stark ausgeprägte masochistische Ader, was?“
Der hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt, dieser Kriegsgott mit Erbsenhirn. „Nein, aber kein Geld“, blaffte sie zurück.
Er schwieg wieder, setzte jedoch seine Musterung fort. Merritt wollte unbedingt ins Haus, Schutz vor dem Wind suchen, doch solange er ihr im Weg stand und sie musterte, würde sie nicht vor ihm zurückweichen.
„Wie lange lebst du schon in Almost?“, fragte er schließlich. „Wohl nicht lange genug, um zu wissen, dass es gefährlich ist, allein außerhalb der Stadt herumzuspazieren.“
„Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich komme prima zurecht. Soviel ich gehört habe, bin ich wohl kurz nach Ihrem Verschwinden hierhergezogen.“
Sein hart geschnittener Mund zuckte, und ein gewisses Interesse flackerte in seinen schwarzen Augen auf. „Du hast dich also nach mir erkundigt?“
„Ich habe nur gefragt, warum ein paar von unseren Stammkunden so nervös auf Ihre Rückkehr reagieren. Alvie hat mir einen knappen Überblick gegeben.“
Paxton schnaubte durch die Nase. „Kein Wunder, dass du wie ein verstörtes Lämmchen dreingeschaut hast, als ich hereinkam. Beruhige dich. Ich bin gerade erst angekommen und habe nicht vor, schnurstracks wieder in den Knast zu wandern. Außerdem …“, fügte er mit einem neuerlichen flüchtigen Blick auf ihre bibbernde Gestalt hinzu, „… ist nicht genug an dir dran, um jemandem mit meinem Appetit als Vorspeise zu genügen.“
Unter dem prüfenden Blick aus seinen zusammengekniffenen Augen verließ Merritt um ein Haar
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