Julia Saison Band 17
Ich war erst kurz zuvor von der Ranch meines Onkels weggegangen, nachdem ich den Brief über meine Adoption gefunden hatte. Ich habe mich nur noch auf das konzentriert, was ich schon immer tun wollte: Rodeos reiten.“
Jared suchte Annettes Blick, doch diesmal vermied sie es, ihn anzusehen.
Daher fuhr er fort: „Die Rodeo-Tour wurde mein Zuhause. Niemand hat gefragt, woher ich kam oder wohin ich wollte. Es gab dort viele wie mich. Wir waren eine Art Familie. Und ich habe den Adrenalinschub beim Rodeo geliebt.“
„Den Adrenalinschub“, wiederholte Annette.
„Ja. Ich habe lange unter dem Tod meiner Eltern gelitten. Onkel Stuart hat immer sein Bestes getan, damit ich mich auf seiner Ranch zu Hause fühlte. Aber er war nie verheiratet, hatte keine Kinder und auch keine langfristigen Beziehungen. Er war gerne allein, und das hat er mir auch so vermittelt. Als ich dann herausfand, dass ich adoptiert worden war, fühlte ich mich noch einsamer als vorher. Es fiel mir also nicht besonders schwer, wegzugehen.“
„Um das zu finden, was du brauchtest.“
„Ich landete beim Rodeo, so wie ich es wollte.“ Jared ließ das Lenkrad los. „Eines Abends habe ich Joelle getroffen. Sie war ein Rodeo-Häschen, aber keine, die durch alle Betten hüpfte. Sie suchte nach Liebe, und ich wohl auch irgendwie. Ich dachte, bei ihr hätte ich sie gefunden. Aber ich war zu egoistisch, um zu wissen, was Liebe wirklich ist. Jedenfalls wurde Joelle gleich schwanger, und das hat mich aus meiner Traumwelt herausgerissen. Mir wurde klar, dass es viel zu früh für mich war, um für eine Frau und ein Kind zu sorgen.“
„Wie lange ist das her?“, fragte Annette.
„Ungefähr zwölf Jahre.“
Im Mondlicht, das durch die Windschutzscheibe hereinschien, wirkte sie blass.
„Dann warst du einundzwanzig, also noch sehr jung“, meinte sie.
„Du bist nicht viel älter, als ich es damals war, und ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals so sein könntest wie ich.“
Der Hoffnungsfunke in ihren Augen erlosch.
„Joelle hatte keine Ahnung, was in mir vorging“, setzte er hinzu. „Und als sie mich bat, mit dem Rodeo aufzuhören, da es für einen Vater zu gefährlich wäre, habe ich mich geweigert.“
„Warum?“
„Weil das Gefühl, zu gewinnen und bewundert zu werden, das Einzige war, was die Leere in mir ausfüllte.“
Annette legte die Hand auf ihren Bauch, als fragte sie sich, ob er ihr Baby ebenso im Stich lassen würde wie seine Tochter damals. Aber jetzt würde sie wenigstens verstehen, wer er tatsächlich war und wie er vielleicht immer sein würde.
„Daraufhin hat meine Frau mich verlassen.“ Am liebsten hätte er Annette jetzt berührt. „Sie meinte, ich hätte nicht das Zeug zu einem guten Vater. Ich wusste, dass sie recht hatte. Danach war ich wieder unterwegs, habe Unterhalt und Briefe geschickt, weil ich dachte, ich würde es mir vielleicht doch noch anders überlegen. Dann hörte ich, dass sie sich in einen anderen Cowboy verliebt hatte, der ihretwegen das Rodeo aufgab, um bei ihr und Melissa zu sein. Da war mir klar, dass sie und das Baby ohne mich viel besser dran waren.“
Stumm schüttelte Annette den Kopf, wie um seine Worte abzuwehren.
„Der Mann, den Melissa Vater nennt, ist das Beste, was ihr und Joelle passieren konnte.“
„Aber sie ist dein Kind, Jared. Wie kannst du …“
„… sie einfach so verlassen?“ Er warf ihr einen Blick zu, der besagte: Schau mich an. Hast du etwas anderes erwartet?
„Du darfst dich nicht mit deiner leiblichen Mutter vergleichen“, erwiderte Annette. „Du hast sie ja noch nicht mal kennengelernt.“
„Dann liegt es mir wahrscheinlich im Blut.“ Schlechte Eigenschaften, die vielleicht von Tony Amati über seine leibliche Mutter bis zu ihm weitervererbt worden waren. Doch das wollte er einfach nicht glauben, weder von Tony noch von sich selbst.
Annette war von ihm abgerückt, was er jetzt erst bemerkte. Es fühlte sich an wie eine blutende Wunde.
„Das ist alles?“, fragte sie.
„Ein paar Jahre später musste ich mit dem Rodeo aufhören, als ich zu alt dafür wurde, Wildpferde einzureiten.“ Da wurde die Leere spürbarer als je zuvor.
Damals hatte er es zutiefst bereut, dass er Melissa verlassen hatte.
„Aber du bist nie mehr zu deiner Tochter zurückgekehrt“, sagte Annette.
„Ich hatte nicht vor, eine gute Familie zu zerstören. Dann wäre Melissa nicht frei gewesen, ihren Adoptivvater so zu lieben, wie ich meine Adoptiveltern geliebt
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