Julia Saison Band 17
schaltete den Herd an, ehe sie den Kessel daraufstellte. „Falls du es mir überhaupt erzählen möchtest.“
Er setzte sich hin und ließ Sirup über seine Waffeln laufen. Eigentlich sollte er nicht das Geringste mehr vor ihr verheimlichen. Dennoch brachte er es nicht über sich, ihr zu gestehen, dass er keineswegs der gute Mensch war, für den sie ihn hielt. Vor allem, wenn er bei ihr bleiben wollte.
Aber sollte das tatsächlich möglich sein? Ein Herumtreiber, der sich endlich dauerhaft niederließ? Doch wie konnte er mit ihr zusammen sein, ohne ihr zu sagen, mit was für einer Art Mann sie es wirklich zu tun hatte?
Er beschloss, so viel preiszugeben, wie ihm im Augenblick möglich war.
Als sie sein Glas mit Orangensaft füllte, meinte er: „Mein Interesse für Tony Amati ist kompliziert.“
„Ist nicht alles auf der Welt kompliziert?“ Annette setzte sich neben ihn, und sofort regte sich sein Körper, so wie in der vergangenen Nacht.
„Ich versuche es mal zu erklären“, sagte Jared. „Wenn man in einen Spiegel schaut, sieht man sein Bild darin. Auf diese Weise wissen wir, wer wir sind, richtig?“
„Ja.“ Aufmerksam blickte sie ihn an.
„Na ja, Tony sieht mir sehr ähnlich. Er ist also sozusagen eine Art Spiegel.“
„Jemand, dem du dich nahe fühlst.“
„Genau.“ Das war leichter, als er gedacht hatte. „Nachdem der Privatdetektiv meine leibliche Mutter ausfindig gemacht hatte, suchte er weiter nach anderen lebenden Verwandten. Ich weiß nicht, warum ich weiter in meiner Vergangenheit geforscht habe, obwohl meine Mutter mich abgewiesen hatte. Wahrscheinlich wollte ich einfach irgendjemanden finden, der mich in seinem Leben haben wollte.“
Annettes Lächeln zeigte ihm, dass das schon längst der Fall war.
„Als der Detektiv mir berichtete, ich hätte eine Großmutter in der Nähe von Houston, bin ich hingefahren“, fuhr er fort. „Ich dachte, ich würde sie treffen, um meine Neugier zu befriedigen, und danach wieder meiner Wege gehen.“
„Aber dann ist es anders gekommen“, meinte Annette.
„Ja.“ Jared lächelte. „Gran hat mit ihrer Tochter nichts gemeinsam. Sie hat mich gleich von Anfang an mit offenen Armen aufgenommen.“
„Vielleicht deshalb, weil sie nachvollziehen konnte, wie es für dich gewesen sein muss, von deiner leiblichen Mutter weggestoßen zu werden. Denn ihre Tochter hat bei ihr ja dasselbe getan.“
„Das stimmt. Allerdings habe ich Gran gleich gesagt, dass ich nicht für immer hier in der Gegend bleiben würde“, erwiderte er. „Sie sollte nicht enttäuscht sein, wenn ich gehe.“
Stumm senkte Annette den Blick.
Jared beugte sich vor und hob mit einem Finger ihr Kinn. „Das war zu Anfang, bevor ich dich kennengelernt habe.“
Als ihre Miene sich wieder aufhellte, verabscheute er sich. Was wäre, wenn er letztendlich doch nicht blieb? Oder wenn sie von dem, was er ihr noch beichten musste, so abgestoßen war, dass sie ihn nicht mehr um sich haben wollte?
Entschlossen schob er den Gedanken beiseite. „Jedenfalls bringt uns das zu Tony. Eines Tages fuhr ich nach St. Valentine, zum Saloon. Und da sah ich ihn auf den Bildern, die dort überall hängen. Ich habe Gran nach ihm ausgefragt, aber sie behauptet, sie wüsste nicht allzu viel über ihn.“
„Doch das glaubst du ihr nicht.“
„Nein. Leute sehen sich nicht aus purem Zufall so ähnlich. Vor allem, da Gran mir erzählt hat, dass die Wurzeln meiner Familie in dieser Gegend weit zurückreichen. Darum bin ich immer noch hier, weil ich wissen will, wer Tony war und ob ich tatsächlich mit ihm verwandt bin.“
Nachdenklich antwortete Annette: „Das ist nicht alles, oder? Als dein Spiegel kann Tony dir auch zeigen, woher du stammst. Im Gegensatz zu deiner leiblichen Mutter ist er jemand, auf den du stolz sein kannst.“
Ja, sie hatte wirklich verstanden, weshalb ihm die Sache so wichtig war.
„Früher als Kind wusste ich genau, wer ich war, weil ich glaubte, ich wüsste, wer meine Eltern waren“, sagte Jared. „Dann habe ich herausgefunden, dass es nicht stimmte, und plötzlich wusste ich überhaupt nichts mehr.“
„Was ist mit deiner Gran? Genügt sie dir nicht, um dir ein gutes Gefühl für deine neue Familie zu vermitteln?“
„Nicht, wenn früher einmal so etwas wie ein zweites Ich von mir existierte“, entgegnete er.
„Das verstehe ich, Jared.“ Sie lächelte ihn an, stand auf und ging zum Herd. Vollkommen zufrieden mit seiner Erklärung, obwohl er ihr immer noch nicht
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