Julia Sommerliebe 0020
um die Schulter. „Na los, guck mal ein bisschen freundlicher. Es wird dir guttun, dich mal ein bisschen durch die Gegend chauffieren zu lassen. Dabei kannst du gut abschalten. In den letzten Tagen sahst du nicht besonders glücklich aus …“
„Dann guck doch nicht hin, wenn es dich stört.“ Abby spielte die Beleidigte. Dabei hatte Tara recht. Sie gefiel sich selbst nicht, wenn sie in den Spiegel schaute. Ihre Augen hatten jeden Glanz verloren, das Haar wirkte stumpf und die Gesichtshaut sah fahl aus.
„Weißt du eigentlich, dass Judd der Fotograf sein wird?“
„Was?“ Abbys Herzschlag setzte für einen Moment aus. Entsetzt ergriff sie Taras Arm. „Das ist doch nicht wahr, oder? Er arbeitet doch Vollzeit bei Finesse.“
„Ich weiß auch nicht, wie es kommt. Aber ich wollte dich vorwarnen.“
„Na prima“, seufzte Abby vor sich hin.
Dann setzte sie trotz allem ein freundliches Lächeln auf. „Weißt du was? So schlimm wird es schon nicht werden. Schließlich hast du es ja vorhin selbst gesagt: Judd und ich, wir sind beide Profis.“
Blieb nur noch abzuwarten, ob es ihnen auch gelingen würde, sich dementsprechend zu verhalten.
Im Vorbeifahren suchte Judd auf dem Straßenschild die Kilometerangabe bis zu seinem Zielort und rechnete sich aus, wie lange die Fahrt noch dauern würde. Immer wieder hatte er während der letzten Stunde seine Gedanken auf die Entfernung und den Kilometerzähler gelenkt – das Letzte, was er im Moment wollte, war, an Abby zu denken.
Er würde sich nur wieder und wieder fragen, was er sagen sollte, wenn sie ihm endlich gegenüberstand.
Die letzte Woche war für Judd furchtbar gewesen.
Dadurch, dass Abby den attraktiven Vertrag von Finesse abgelehnt hatte, war ihm klar geworden, wie groß ihre Gefühle für ihn sein mussten. Nachdem sie auch keinen seiner Anrufe entgegengenommen hatte, sah er ein, dass er Abbys Entscheidung akzeptieren musste.
Immerhin machte ihm seine neue Arbeit Spaß. Trotz anfänglicher Zweifel musste er sich schnell eingestehen, dass Finesse nicht irgendein Magazin war. Es war eine erstklassige Zeitschrift, und das Miteinander hinter den Kulissen war weit angenehmer als erwartet. Bisher hatte er keinerlei Arbeit und Mühe gescheut und sein Bestes gegeben. Ein wenig mochte das allerdings auch daran liegen, dass er sich auf diese Weise nicht mit Abby beschäftigen musste. Dummerweise erinnerte ihn gerade die Arbeit immer wieder an sie.
Ob der heutige Tag einen Lichtblick mit sich brachte?
Er konnte es nur hoffen. Zum hundertsten Mal an diesem Vormittag tastete Judd nach dem Inhalt seiner Jackentasche. Andernfalls würde er Abby vergessen müssen, ein für alle Mal.
Vergessen? Wem wollte Judd denn vormachen, dass er Abby vergessen könnte? Wann immer er seine Augen schloss, tauchte sie in seinem Kopf auf. Meistens erinnerte er sich dann an ihre letzte Begegnung in seinem Büro.
Abby war so verletzt gewesen, nachdem sie ihm gestanden hatte, dass sie einst in ihn verliebt gewesen war.
Das war für ihn eigentlich das Schlimmste gewesen: Abby hatte ihn viele Jahre lang geliebt, und er hatte überhaupt keine Ahnung davon gehabt. Und was würde er heute für ihre Liebe geben?
Judd bog von der Hauptstraße ab und fuhr einen schmalen Kiesweg entlang. In einigen hundert Metern Entfernung lag ein elegantes Herrenhaus, das als Kulisse für die nächsten Modeaufnahmen dienen sollte. Er stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen. Judd war nicht nur hier, um Traumfotos zu machen, sondern vor allem, um den direkten Weg ins Herz seiner Traumfrau zu finden.
Denn das war Abby für ihn, daran hatte Judd keinerlei Zweifel mehr. Jetzt musste er es ihr nur noch beweisen. Wieder kontrollierte er den Inhalt seiner Jackentasche. Zufrieden stellte er fest, dass das große Finale beginnen konnte.
Tara hatte nicht übertrieben. Die Kulisse war perfekt.
Abby erklomm die steile Treppe hinauf zum ersten Stock. Der Charme längst vergangener Zeiten lebte immer noch in dem ehemaligen Hotelgebäude. Die Folklore-Mode, die im Moment auf allen internationalen Laufstegen so angesagt war, würde sich hier perfekt in Szene setzen lassen.
Zurück in Sydney würde sie sich gleich bei Tara bedanken, die ihr den Tipp gegeben hatte, hierher zu kommen.
Unangenehm war nur, dass ihr früher oder später bei diesem Auftrag Judd über den Weg laufen würde. Zum ersten Mal seit ihrem Gespräch in seinem Büro, das sie so stürmisch beendet hatte.
Doch Abby war sich mittlerweile
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