Julia Sommerliebe 0020
durchstehen. Mir graut jetzt schon davor.“
„Das wird schon werden. Alle wichtigen Leute werden da sein. Es ist wirklich eine äußerst exklusive Veranstaltung.“
„Wie beruhigend“, erwiderte Victoria trocken. „Muss ich denn unbedingt hingehen?“, murmelte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Sie hob den Saum ihres kunstvoll mit Flor abgenähten Abendkleides an, um auf der Treppe nicht zu stolpern. Hinter ihr bewachten zwei Sicherheitsleute jede ihrer Bewegungen. Keine Sekunde ließen sie die
150.000 Pfund teure Diamantenkette aus den Augen, die ein renommierter Juwelier Victoria für den heutigen Abend zur Verfügung gestellt hatte.
„Ob du hingehen musst? Das soll wohl ein Witz sein?“, erkundigte sich Anne mit hochgezogenen Augenbrauen.
Victoria schnitt eine Grimasse. „Sicher.“ Sie zuckte mit den Schultern und blickte auf ihre mit Edelsteinen besetzte Handtasche, um sicherzugehen, dass diese auch ja fest verschlossen war. Sollte ihr die Lage zu heikel werden, konnte sie jederzeit auf die Toilette flüchten und einen ihrer „Lebensretter“ schlucken.
„Gut. Also nicht vergessen: immer schön höflich und charmant sein, dann kann dir nichts passieren. Das ist deine große Chance, Victoria. Vermassle es nicht“, ermahnte Anne. „Ach, und da ist noch etwas. Unsere Finanzberater möchten etwas mit dir besprechen. Du könntest eine Menge Steuern sparen, wenn du deinen Wohnsitz verlegst. Ist dir Malvarina ein Begriff?“
Victoria runzelte die Stirn. „Ist das nicht so eine Insel irgendwo im Mittelmeer?“ Immer noch war sie sorgfältig darauf bedacht, nicht auf den hauchdünnen Saum ihres Kleides zu treten.
„Genau. Außerdem ist es ein wahres Steuerparadies. Und heute Abend sitzt du sogar neben dem …“
Doch mehr hörte Victoria nicht, denn schon erschien Ed in der Tür zur Präsidentensuite, bot ihr seinen Arm an und marschierte mit ihr davon.
Anne hielt inne und verschaffte sich einen schnellen Überblick über die elegante Umgebung. Zufrieden nahm sie buntes Stimmengewirr, schrilles Lachen und das Klirren teurer Kristallgläser wahr. Victoria würde es schon schaffen, beruhigte sie sich. Mit diesem Gedanken machte sie sich auf, um ein paar der wichtigsten Reporter des Landes für Exklusivinterviews zu gewinnen.
2. KAPITEL
Ein Fürstentum zu regieren ist wie ein großes Unternehmen zu leiten, überlegte er, während sein Page ihm den weißen Seidenschal reichte. Leger warf Rodolfo ihn sich um den Hals, bevor er die elegante Suite verließ, um die nächste Veranstaltung zu besuchen. Mittlerweile langweilten ihn die unzähligen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Die Filmfestspiele von Cannes waren da keine Ausnahme. Doch nur so ließen sich Kontakte knüpfen und Geschäfte machen, die für die Insel so wichtig waren.
Sein Großvater, der verstorbene Fürst, hatte viel Wert auf Exklusivität im Inselstaat gelegt. Steuerbegünstigungen erhielten zu seinen Lebzeiten nur die alteingesessenen aristokratischen Familien, die schon seit Jahrhunderten auf der Insel lebten. Doch vor drei Jahren war dieser Großvater gestorben. Und nun gab sich Rodolfo alle Mühe, aus Malvarina einen modernen, unabhängigen Staat zu machen.
Die Einwohner von Malvarina brauchten Arbeit, um auf der Insel bleiben und sich dort ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Rodolfo war fest entschlossen, seinem Volk einen besseren Lebensstandard zu bieten. Und er wusste auch wie: Mit mehr Touristen und vor allem mit finanzstarker Prominenz, die ihren Wohnsitz auf die Insel verlegte. Sein Plan ging tatsächlich auf. Zahlreiche wohlhabende Geschäftsleute, Stars und Sternchen waren in den letzten Jahren nach Malvarina gezogen. Sowohl die Abgeschiedenheit des Fürstentums als auch die attraktiven neuen Steuergesetze schienen sie magisch anzuziehen.
Genau darum war er auch hier bei den Filmfestspielen in Cannes. Denn ob es ihm gefiel oder nicht, als Prinz war Rodolfo einfach der beste Werbeträger für Malvarina.
Auf diese wichtige Rolle hatte er sich mehrere Jahre vorbereitet. Studiert hatte er zunächst an der Oxford Universität in England und anschließend in Harvard an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Ihm war immer klar gewesen, dass er niemals die altmodischen Ansichten seines Großvaters würde ändern können. Also übte er sich in Geduld und versuchte, dem alten Herrn den nötigen Respekt zu zollen. Bis die Zeit für Veränderungen reif war, konnte er reichlich Arbeits- und Lebenserfahrung
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