Julia Sommerliebe 0020
den Adel von ihrer glamourösesten Seite zeigte. Nun ja, dachte sie leicht amüsiert und begutachtete ihren Hummercocktail. Langsam hatte sie diese schweren Speisen und aufwendigen Festessen wirklich satt. Was würde sie nicht geben für einen einfachen Rindereintopf, wie die kleine Gaststätte in Hetherington ihn zu servieren pflegte?
„Mögen Sie Ihren Cocktail nicht, Signorina?“
Erst jetzt wurde Victoria klar, dass Rodolfo Fragottini höflich wartete, bis sie zu essen begann. Mit einem entschuldigenden Lächeln nahm sie die Gabel zur Hand. „Doch, er ist bestimmt sehr lecker“, erwiderte sie und zwang sich, von der Vorspeise zu kosten.
„Das bezweifle ich. Diese großen Abendessen sind meist gar nicht so köstlich wie alle meinen. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, Signorina, aber ich glaube, Sie lügen.“
Fast hätte Victoria sich verschluckt. Schnell trank sie einen großen Schluck Wasser, um nicht laut loslachen zu müssen.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich besorgt.
„Bestens. Verzeihung.“ Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. „Ich habe in letzter Zeit einfach so viele üppige Mahlzeiten gegessen, dass es mir langsam zu viel wird.“
„Das kann ich gut verstehen. Hummercocktail, Gänseleberpastete, Weinbergschnecken. Ich muss zugeben, auch ich habe mittlerweile genug von all dem Zeug.“
„Aber Sie essen doch sicher ständig solche feinen Sachen. Ganz bestimmt leben Sie in einem großen Schloss und dinieren von goldenen Tellern“, forderte sie ihn lachend heraus.
„Nicht wirklich. Selbst der Adel hat sich den modernen Zeiten angepasst, wenn auch nicht ganz freiwillig“, erwiderte er amüsiert. Offensichtlich genoss er das scherzhafte Geplänkel. „Nein, es macht mir viel mehr Spaß, selbst in der Küche zu stehen und zu kochen.“
„Wirklich? In der Schlossküche?“, erkundigte sie sich mit leisem Kichern.
„Nein. Ich habe ein Apartment in einem Flügel des Schlosses. Und ja, ich versuche tatsächlich, mir etwas Selbstständigkeit zu bewahren. Es geht doch nichts über einen schönen Teller Spaghetti Bolognese.“
„Spaghetti Bolognese?“ Das schien so gar nicht zu einem Mann wie ihm zu passen. Schnell hielt sie sich die Serviette vor den Mund, um ein erneutes Kichern zu unterdrücken. „Wo haben Sie denn das gelernt?“
„In Oxford. Meine Pastagerichte sind wirklich vorzüglich, wie ich in aller Bescheidenheit behaupten kann. Sie sollten sich bei Gelegenheit selbst davon überzeugen. Und was ist mit Ihnen? Kochen Sie auch? Oder fehlt Ihnen als Hollywoodstar die Zeit für solche Vergnügen?“
„Das stimmt schon, im Moment komme ich kaum dazu“, seufzte Victoria. „Dabei koche ich für mein Leben gern. Oder wenigstens war es früher so, bevor dieser ganze Trubel begann.“ Sie ließ ihre Hände in den Schoß sinken.
„Und wo war das?“, fragte er neugierig.
„Das war in Hetherington, einem kleinen Dorf, in dem ich mit meiner Mutter gelebt habe. Sie ist immer noch dort. Ich backe übrigens auch sehr gerne.“
„Und wo liegt dieses Dorf?“, fragte er weiter und nahm seine Gabel wieder auf.
„In England, genauer gesagt in Sussex. Es ist wunderschön dort – Cottages mit Reetdächern, keine Straßenlaternen. Wir wohnen in einem Herrenhaus außerhalb der Ortschaft.
„Das klingt sehr idyllisch. Ich kann verstehen, dass Sie sich dorthin zurücksehnen.“
„Wirklich? Ich dachte, Leute wie Sie seien ganz erpicht darauf, ihre malerischen Landschaften in Spielwiesen für Superreiche zu verwandeln.“
„Ach ja? Das haben Sie gehört?“ Die Schärfe in seiner Stimme entging ihr nicht.
„Meine Agentin möchte, dass ich nach Malvarina ziehe, ein Inselstaat irgendwo im Mittelmeer. Angeblich gibt es dort verlockende Steuergesetze. Kennen Sie die Insel?“, erkundigte sie sich.
„Ziemlich gut sogar. Was haben Sie denn sonst noch so gehört über Malvarina?“
„Es soll eine Art Monte Carlo sein, mit Unmengen reicher Leute, die auf ihren schicken Jachten herumdüsen. Der Prinz lockt sie anscheinend in Scharen an. Ich persönlich halte es für eine Schande, ein ehemals ruhiges, unberührtes Fleckchen Erde so zu verschandeln. Und wofür? Des Geldes wegen natürlich. Jetzt muss es dort zugehen wie in einem Freizeitpark.“
„Ach ja?“ Amüsiert hob er die Augenbrauen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um Victoria besser betrachten zu können. Ein ziemlicher Hitzkopf, diese Miss Woodward. Aber doch irgendwie anziehend. „Sie halten den
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