JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Sie mir, Ihnen mitzuteilen, senorita , dass meine Schwester sehr beeindruckt war von Ihrem Brief. Sie teilte mir mit, dass ich Ihnen die Stelle anbieten soll, wenn Ihr Verhalten dementsprechend sei.“
Linda bezwang ihre Aufregung und betrachtete ihn mit ernstem Blick „Und wie haben Sie sich entschieden, senor ?“
„Sie sprechen recht gut Spanisch“, erwiderte er. „Sie sind hübsch gekleidet, und an Ihren Haaren und Fingernägeln ist nichts zu beanstanden – was will eine Mutter mehr von einer Gesellschafterin für ihre Tochter, die sie abgöttisch liebt?“
„Wollen Sie damit sagen, dass ich engagiert bin, senor ?“ Linda spürte ein Flattern, als hätte ihr Herz plötzlich Flügel bekommen.
„Ja, Sie können sich als engagiert betrachten, senorita .“
„Könnten Sie mir auch sagen, wann ich anfangen soll?“
„Die Details werde ich Ihnen bei Kaffee und Kuchen mitteilen.“ Er erhob sich und hielt ihr die Hand hin, um ihr von dem Sofa aufzuhelfen. „Kommen Sie. Wir gehen in die Lounge. Dort werden in ein paar Minuten die Nachmittagserfrischungen serviert.“ Eine Stunde später verließ Linda benommen vor Glück das Hotel. Und während ihr Zug durch Essex fuhr, konnte sie nur an eines denken: Linda Layne, du fliegst nach Spanien.“
Dort würde sie auch Don Ramos wiedersehen, dessen Erscheinung sich tief in ihr Gedächtnis eingeprägt hatte. Ein Mann, der eine Frau verletzen konnte und dennoch jeden Herzschmerz wert war.
Linda riss sich aus ihren Erinnerungen. Als sie die Augen öffnete, begegnete sie dem Blick des Mannes, der ihr vor Kurzem erst das Leben gerettet hatte. Jetzt, da sie wieder voll bei Bewusstsein war, sah sie, dass er wie ein Araber aussah – mit dichten Augenbrauen über schräg stehenden, fast schwarzen Augen, den ausgeprägten Wangenknochen und unverschämt sinnlichen Lippen. Er verströmte eine Aura rücksichtsloser Autorität, die auch durch den modernen Schnitt seines Anzugs nicht abgemildert wurde. Seine Ähnlichkeit mit dem attraktiven Don Ramos verlor sich, als er nachdenklich ihre schlanke Figur betrachtete, während sie kraftlos und immer noch ein wenig schockiert neben ihm auf dem weichen Lederrücksitz saß.
„Für eine Gesellschafterin scheinen Sie noch sehr jung zu sein“, sagte er unvermittelt. „Als ich noch ein Junge war, waren die companeras in unserem Haushalt immer plumpe Frauen jenseits der vierzig, die entweder zu laut waren oder sich ausgenutzt fühlten. Aber die Zeiten haben sich wohl geändert, nicht wahr?“
„Ja“, stimmte sie zu und war verunsichert, weil dieser Mann sie an schwarze Zelte in der sengenden Wüste erinnerte. Eigentlich müsste er einen Kaftan tragen, der ihn von Kopf bis zu seinen Stiefeln einhüllen würde. Ihr wurde bewusst, dass sich nur wenige Stunden Flug zwischen der ländlichen Idylle zu Hause und dem Land befanden, das zugleich mystisch und grausam war. In dem die Höflichkeit eines Mannes den Frauen gegenüber das Verhältnis von Herr und Sklave verschleiern konnte.
Instinktiv wollte sie so viel Abstand wie möglich zu diesem Mann gewinnen. Er hatte ihr zwar das Leben gerettet, doch in seinem Blick lag etwas Berechnendes, als glaubte er, sie sei ihm einen Gefallen schuldig für das, was er für sie getan hatte.
Verstohlen sah sie ihn von der Seite an. Seine ganze Haltung verströmte eine Aura von Macht. Er warf einen Blick auf das goldene Ziffernblatt seiner Uhr, deren dunkles Lederband sich von der blütenweißen Manschette seines Hemdes abhob. „In ein paar Minuten erreichen wir die Eingangstore zum castillo , senorita . Auch wenn man berücksichtigt, dass Sie eben eine schockierende Erfahrung gemacht haben, habe ich das Gefühl, dass mein Cousin Ramos über gewisse Details hinweggegangen ist und Sie in dem Glauben ließ, in ein gemütliches Heim zu kommen.“
Abrupt beugte er sich zu Linda. Ein starker Duft nach Tabak und ein Hauch von Seife wehten ihr in die Nase. Obwohl dunkel, hatte seine Haut einen goldbraunen Ton, gegen die sich seine weißen Zähne blendend abhoben.
„Mich hat er wohl mit keiner Silbe erwähnt, nicht wahr?“
Ihr Herz schien schmerzhaft gegen ihr Brustbein zu schlagen, während sie merkte, dass sie sich gegen den Ledersitz presste. Erneut wurde ihr schwindlig. Er musste ihr die Qual wohl angesehen haben, denn sein Blick wanderte zu ihrer verletzten Augenbraue. „Sie hatten nicht gerade eine gesegnete Ankunft in Spanien. Ich kann nur hoffen, dass weder ich noch das Unglück mit dem
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