JULIA SOMMERLIEBE Band 21
entschieden ein Mann, der es liebte, mit harter Hand zu regieren Aber sie gehörte nicht zu seinen Angestellten, die seinen Befehlen fraglos gehorchen mussten.
Sie hatte ihren Kaffee getrunken und wollte eben ins Bad gehen, als Adoracion mit Kleidern über dem Arm zurückkam und sie aufs Bett legte. „Ich hoffe, dass sie Ihre Zustimmung finden, senorita. “ Sie legte ein strahlend weißes Leinenkleid mit dünnem Ledergürtel auf das Bett, dazu weiße Spitzenunterwäsche und weiße Freizeitschuhe.
„Sehr hübsch“, sagte Linda dankbar. Sie nahm das weiße Kleid mit dem Faltenrock vom Bett. Es erinnerte sie an sonnige Nachmittage im Kingswood Country Club mit eisgekühlter Orangenlimonade. „Arbeiten Sie schon lange im castillo ?“ Linda war selbst überrascht, dass sie Adoracion diese Frage stellte.
„Ich war schon als Mädchen bei der Mutter des patron “, kam prompt die Antwort. „Ich stand ihr zur Verfügung, bis sie von uns gegangen ist. Sie hat sich nie von dem schrecklichen Tag in Palästina erholt, an dem Gewalt und Tod die Herrschaft übernommen hatten. Sie und Sheikh Khaldi waren zu dem Zeitpunkt in einem Hotel, in dem geplündert und gemordet wurde. Eine Horde von Män nern brach in ihre Suite ein, und der Sheikh wurde vor den Augen seiner Frau zu Tode geprügelt. Danach war sie wochenlang nur ein Schatten ihrer selbst und ist dann bei der Geburt ihres Sohnes Karim el Khalid gestorben. In seinem Lieblingszimmer hier im castillo hängt ein Porträt von ihr. Eine wunderschöne Frau, die er dadurch leben dig erhält, indem er anderen hilft, so wie ihr an diesem schrecklichen Tag in Palästina geholfen wurde.“
Auch wenn dies eine tragische Geschichte war, änderte sie nichts an dem Eindruck, den Linda von El Khalid gewonnen hatte. Obwohl an seiner Gastfreundschaft nichts zu bemängeln war, erfasste sie in seiner Gegenwart jedes Mal eine seltsame Unruhe. Als würde er an Instinkte rühren, deren sie sich bis jetzt nicht einmal bewusst gewesen war.
Linda schlang den dünnen Ledergürtel um das weiße Kleid und betrachtete sich in dem ovalen Spiegel. Obwohl es ein wenig zu lang war, passte es genau; nur die Schuhe waren zu groß. Sie zupfte ihren Pony zurecht, um die Schwellung an ihrer Augenbraue zu verdecken, die sie nur daran erinnerte, in der Schuld eines Mannes zu stehen, der von Geburt an nicht nur mit Reichtum gesegnet war, sondern auch mit dem Wissen um unaussprechliche Grausamkeit. Diese Grausamkeit hatte ihn seiner Eltern beraubt, und Linda schien es, als ob nichts Sanftes mehr im Wesen des Karim el Khalid de Torres zurückgeblieben war.
Sie tastete nach dem winzigen goldenen Herzen an ihrer Halskette, in das der Name ihrer Mutter eingraviert war. Die treulose Miriam, die vor vielen Jahren verschwunden war, um mit einem Amerikaner zu leben, der in einer Tanzband Klarinette spielte. Lindas Mutter war Sängerin in einem Londoner Ensemble gewesen, bevor sie ihre Karriere aufgab, heiratete und Mutter wurde.
Linda war sicher, dass sie die Musikalität von ihrer Mutter geerbt hatte. Eine Frau, die voller Leben gewesen war, ganz anders als Tante Doris. Sie hatte einen gebrochenen Mann zurückgelassen, der Linda schließlich in die Obhut seiner Schwester Doris und ihres Mannes gab.
Linda war dreizehn, als beide Elternteile aus ihrem Leben verschwanden, doch ihre Mutter mit den vergnügt funkelnden braunen Augen vermisste sie am meisten. Miriam hatte nach ihren eigenen Regeln gelebt, ohne an die Gefühle der anderen zu denken.
Auch wenn Linda sich voller Zuneigung an ihre Mutter erinnerte, änderte das nichts an deren egoistischem Verhalten. Sie hatte nicht nur das Leben ihrer Tochter gehörig durcheinandergebracht, sondern auch ihren Mann, der sie über alles liebte, in völlige Verzweiflung gestürzt. Tante Doris hatte ihr nie vergeben und alles versucht, Linda die liebevollen Gedanken an ihre Mutter auszutreiben.
Doch Linda war bewusst geworden, dass die Liebe ein seltsames und andauerndes Gefühl war und oft so stark, dass es die grausamsten Schläge überstand. Sie hatte manchmal ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie immer noch Zuneigung für ihre Mutter hegte, während sie für Tante Doris nichts als Dankbarkeit und eine gewisse Art der Verpflichtung verspürte.
Sie kräuselte die Stirn, während sie sich in dem wunderschönen Zimmer umsah, in dem sie die Nacht verbracht hatte. Das Problem bei Tante Doris war, dass sie alles schockierte, was von der Konvention abwich. Sie wäre
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