JULIA SOMMERLIEBE Band 21

die falschen wählen könnte.“
    Seine Miene wirkte plötzlich ernst. „Linda, ich habe dich in den Modesalon in Barcelona geführt, weil du nur das Beste haben sollst. Weiche Stoffe und Farben, die dir schmeicheln. Es hat mir gefallen, all die Sachen für dich auszusuchen.“
    „Ich hatte das Gefühl, du willst mich kaufen, Karim.“
    Lässig zuckte er mit den Schultern. „Was soll’s. Als meine Frau musst du gut gekleidet sein, das ist alles.“
    „So redet ein herrschsüchtiger Araber, in dessen Adern auch spanisches Blut fließt.“
    „Erschreckt dich die Vorstellung?“, meinte er spöttisch.
    „Ich habe gehört, dass solche Männer es mögen, die Frau in ihre Schranken zu verweisen.“
    „Sie mögen es nicht nur, sie tun es auch“, sagte er spöttisch. „Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind, wie ein Sprichwort sagt – ganz zu schweigen davon, dass ein zahmer Ehemann sich eine leidenschaftliche Frau wünscht.“
    „Als ob irgendeine Frau dich als zahm bezeichnen würde.“ Es beunruhigte und kränkte sie, dass es verborgene Tiefen in seinem Wesen gab, die sie vielleicht nie erforschen könnte. Er hingegen wünschte sie sich immer als aufrichtige und durchschaubare Partnerin, mit einem unschuldigen Körper, an dem er sein Vergnügen haben würde.
    Es war töricht von ihr, der romantischen Vorstellung nachzuhängen, dass die Person, die in dem jungen, unschuldigen Körper steckte, ihm tatsächlich etwas bedeutete.
    Er hatte schon zu viel gesehen. Hatte in einem grausamen Krieg gekämpft und seine Illusionen durch die Menschen verloren, die von Idealen sprachen, um sie dann gedankenlos zu zerstören. Und wie die meisten Männer, die solch eine zerstörende Kraft wie den Krieg überlebt hatten, wollte er neues Leben schaffen und wünschte sich Nachkommen.
    „Ist dein Haus in der Wüste sehr groß?“, wollte sie wissen, darum bemüht, ein unverfängliches Thema anzuschneiden.
    „Es ist ziemlich geräumig“, erwiderte er. „Überall an den Wänden rankt Jasmin. Die Zimmer sind erfüllt vom Duft der Blumen, weil das Haus inmitten eines großen Hofgartens liegt. Ich habe eine Vorliebe für dieses Haus, während mein Kastell in Spanien als Anlaufstelle sehr geeignet ist. Es bietet Schutz und Zuflucht für Menschen wie Dona Domaya, die einen Platz brauchen, wo sie für eine Weile bleiben und alles vergessen können, was sie durchgemacht haben. Manche brauchen Zeit, wie Domaya, um sich wieder zu erholen. Sie weigert sich zu glauben, dass ihr Mann Luis tot ist. Bis sie die Wahrheit akzeptiert, wird sie den Albtraum immer wieder durchleben.“
    Mit einem großen Schluck trank er den restlichen Whisky aus. „In Fes werden wir all unsere Probleme vergessen und uns nur aufeinander konzentrieren. Comprende ?“
    Sie schenkte ihm ein Lächeln, wobei ihr das Funkeln in seinen Augen nicht entging. In Fes würden sie von der Vergangenheit abgeschnitten sein, und er hätte die rechtmäßige Herrschaft über sie. Ihr Herz schlug schneller, wenn sie daran dachte, dass sie bald in den starken Armen dieses Mannes liegen würde, der, im Gegensatz zu ihr, kein Neuling auf dem Gebiet körperlicher Freuden war.
    Während sie ihren köstlichen Lunch aßen, erzählte Karim, er habe veranlasst, dass die Hochzeit in dem großen Empfangszimmer mit dem Marmorboden und einem Springbrunnen in der Mitte stattfinden solle. Er schwärmte von dem Säulengang und Linda gewann den Eindruck, dass es ein Haus von beinahe klösterlicher Schönheit sein musste. Der Garten, den die Nonnen als die früheren Besitzerinnen angelegt hatten, würde bestimmt Lindas Gefallen finden, meinte Karim.
    Als Linda dann ihren Stachelbeerkuchen mit Sahne aß, hörte sie ein wenig ängstlich zu, wie Karim ihr von der Wüste erzählte. Ein endloses und unbarmherziges Meer aus Sand, beschienen von einer heißen Sonne am blauen Himmel, der nachts von Millionen funkelnder Sterne übersät war.
    „Die Wüste ist von einer wilden Schönheit.“ Er rührte den braunen Zucker in seinem Kaffee um. „Selbst das Meer ist nicht so erbarmungslos wie die Wüste, deren Stürme unberechenbar sind. Aber wenn dieser Sturm vorbei ist, liegt eine Art von Frieden und Stille über dem Land, die unbeschreiblich ist. Dann ist die Wüste ein Ort der Unendlichkeit … Allahs Garten.“
    Als er Linda zeigte, dass sie inzwischen über die Wüste flogen, wurde ihr bewusst, dass sie Spanien nun hinter sich gelassen hatten und damit auch den Teil von ihm, der in Spanien verwurzelt