JULIA SOMMERLIEBE Band 21
als Julia damals ins Wohnzimmer gekommen war und sie in inniger Umarmung mit Alan vorgefunden hatte. Doch ihre Scham war schnell maßloser Empörung gewichen, als ihre Cousine mit kaltem Lächeln darauf bestanden hatte, dass Alan das Haus verließ. Ohne Marisas Protest zu beachten, hatte sie ihn zur Tür gebracht.
„Wie konntest du das tun?“, stellte Marisa sie mit zitternder Stimme zur Rede, nachdem Alan gegangen war. „Ich bin kein Kind mehr und ich lasse mir nicht vorschreiben, wen ich treffen darf.“
Julia schüttelte den Kopf. „Gerade weil du kein Kind mehr bist, darfst du das nicht frei entscheiden.“ Mit einem schmalen Lächeln hielt sie kurz inne. „Dein zukünftiger Ehemann möchte nicht, dass jemand in seinem Revier wildert. Das hat er sehr deutlich gemacht, als ich dich bei mir aufgenommen habe. Wir sollten diesen Abend einfach vergessen. Es ist das Beste für uns beide.“
Marisa schluckte. Entsetzt starrte sie ihre Cousine an. „Das Beste?“, fragte sie schließlich. „Wovon redest du? Und ich … ich habe keinen zukünftigen Ehemann. Das ist Unsinn.“
„Sei doch nicht so naiv“,fuhr Julia sie voller Verachtung an. „Du weißt ebenso gut wie ich, dass du Lorenzo Santangeli heiraten sollst. Das ist seit Jahren abgemacht.“
Marisa fühlte sich wie betäubt. „Heiraten? Lorenzo? Das war doch nie ernst gemeint. Das … das war doch nur so dahingesagt.“
„Im Gegenteil, meine Liebe, es ist eine Tatsache.“ Julia nahm Platz. „Der schillernde Signor Santangeli hat lediglich gewartet, bis du alt genug bist, seine Frau zu werden.“
Marisas Kehle war wie zugeschnürt. „Das kann ich nicht glauben“, stieß sie hervor.
„Tja, das war vielleicht auch ein bisschen übertrieben“, versetzte Julia. „Vermutlich hat er nicht Jahr für Jahr vol ler Sehnsucht auf dich gewartet. Aber jetzt hat er sich an das Versprechen erinnert und macht seine Ansprüche geltend. Er wird in einer oder zwei Wochen hierherkommen, um dir seine Aufwartung zu machen.“ Sie pfiff anerkennend. „Reich, gut aussehend und ein erfahrener Liebha ber, wie man hört. Herzlichen Glückwunsch, du hast das große Los gezogen.“
„Was soll das?“ Marisas Herz hämmerte so wild, dass es schmerzte. „Ich werde ihn nicht heiraten. Mein Gott, ich mag ihn nicht mal besonders.“
„Er verzehrt sich wahrscheinlich auch nicht in Liebe zu dir“, erwiderte Julia mit niederschmetternder Härte. „Es ist eine arrangierte Hochzeit, du dummes kleines Ding, keine Liebesheirat. Die Santangelis brauchen eine gesunde, junge Frau, um ihre Erbfolge zu sichern. Und ihre Wahl ist auf dich gefallen.“
„Dann müssen sie sich eben nach einer anderen Kandidatin umsehen.“ Marisas Stimme drohte zu versagen. „Ich bin nicht käuflich.“
„Mein liebes Kind, du bist schon vor Jahren gekauft und bezahlt worden.“ Sie machte eine ausholende Handbewegung. „Wie sonst hätten wir uns dieses Haus leisten können? Bevor deine Eltern gestorben sind, haben Harry und ich in einem winzigen Einzimmerapartment gelebt. Es war ein Albtraum. Was glaubst du, wer dein Schulgeld gezahlt hat? Deine Kleidung, deine Ferien, deine sportlichen Aktivitäten?“
„Ich dachte, du …“
„Denk doch mal nach. Harry gibt Fachbücher heraus, die kaum etwas einbringen. Und er hat Multiple Sklerose. Lange wird er sowieso nicht mehr arbeiten können.“
Marisa sah sie unglücklich an. „Ich werde mir einen Job suchen und ihnen alles zurückzahlen.“
„Wie willst du das schaffen?“ Julia schnaubte verächtlich. „Bis auf die Kunstkurse, die du zurzeit belegst, hast du keine Ausbildung. Nur auf eines bist du vorbereitet worden: die Frau eines Multimillionärs und die Mutter seiner Kinder zu werden. Sie haben in dich investiert, und jetzt ist es Zeit, die Schuld zurückzuzahlen. Sie werden ein Nein nicht akzeptieren.“
„Das kann ich nicht glauben. Ich will es nicht.“ Marisa war verzweifelt. „Lorenzo kann diesem Handel nicht zugestimmt haben. Er … er will mich nicht. Ich weiß das.“
Julia lachte spöttisch. „Er ist ein Mann, Schätzchen, und du bist eine attraktive Frau im heiratsfähigen Alter. Seine Rolle als Bräutigam wird ihm nicht sonderlich schwerfallen. Er wird seine Pflicht gegenüber der Familie erfüllen und es auch noch genießen.“
„Das ist … widerlich.“
„Das ist die Wirklichkeit, mein Kind.“ Julia zuckte die Achseln. „Und es hat zweifellos Vorzüge, die Frau des Marchese Santangeli zu sein. Wenn du Lorenzo
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