JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Sonne war längst untergegangen, als Linda endlich merkte, dass Karim sie im Licht der Lampe ansah, die auf dem Nachttisch stand.
„Ich glaube, es ist bereits geschehen.“
„Was meinst du?“, wisperte sie.
„Dass du ein Kind empfängst.“
„Es wäre ein Wunder, Karim, wenn es nicht so wäre.“
Er lachte leise und zog eine Spur von Küssen von einer Brust zur anderen. „In gewisser Weise bist du selbst noch ein Kind, und ich bin ein selbstsüchtiger, arroganter Mann, mia farah . Diese wunderschönen Stunden voller Genuss, die wir miteinander verbracht haben, müssen doch ein außergewöhnliches Kind zustande gebracht haben. Hast du es denn genossen, nach den ersten Momenten des Schmerzes?“
„Ja“, hauchte sie kaum hörbar, weil er sie trotz der innigen Nähe immer noch verschüchterte. Sie erschauerte erneut, als er an ihren Beinen entlangfuhr und in das Zentrum der größten Sinnlichkeit vordrang, wo eine einzige Berührung seiner Fingerspitze reichte, um sie alles vergessen zu lassen.
„Du bist eine sehr leidenschaftliche junge Frau, weißt du das?“
„Ich weiß.“ Lächelnd legte sie die Hand auf seine Brust, um seinen Herzschlag zu spüren. „Hat es dir Vergnügen mit mir bereitet?“
„Über alle Maßen, arousa .“
„Ist das Arabisch?“
„Es bedeutet Braut oder Schatz.“ Er rollte sich auf die Seite und zog sie in seine Armbeuge. Still lagen sie da, jeder in seine Gedanken versunken. Immer noch wurde Linda von kleinen lustvollen Schauern erfasst, und sie küsste Karim auf die Schulter, die leicht salzig schmeckte.
„Jetzt bereue ich es kein bisschen mehr, dass ich dich geheiratet habe“, sagte sie.
„Du siehst so unschuldig aus, wie du jetzt daliegst, aber dein Blick verrät etwas anderes.“ Er lächelte in sich hinein und tastete nach dem schmalen Armreif an ihrer linken Hand, den sie schon als Schulmädchen getragen hatte. Er hielt ihr Handgelenk ins Licht und betrachtete das kleine Herz, in dem der Name ihrer Mutter eingraviert war.
„Miriam?“ Mit nachdenklich zusammengekniffenen Augen sah er Linda an. „Ist das ein englischer Name?“
„Nein.“ Lächelnd fuhr Linda mit der Hand über seine Brust, sodass seine dunklen Härchen auf ihrer Haut kitzelten. „Es ist ein jüdischer Name. Die Verwandten meiner Mutter sind fast alle von den Nazis umgebracht worden. Nur ihr Vater hat überlebt, weil er aus einem Arbeitslager in Holland fliehen konnte, wo er sich einer Widerstandsgruppe angeschlossen hatte. Nach dem Krieg kam er nach England und hat einen kleinen Haushaltswarenladen aufgemacht. Dann hat er geheiratet, und meine Mutter wurde geboren.“
Ein verhaltenes Lächeln hatte auf Lindas Gesicht gelegen, während sie erzählte. Aber es verblasste abrupt, als sie Karims fast grimmige Miene bemerkte. Er ließ das kleine Herz los, stützte sich auf und rückte von Linda ab. Die Freude, die eben noch in seinem Blick gelegen hatte, war verschwunden. Stattdessen wirkten seine Augen jetzt kalt.
„Warum hast du nie zuvor von deiner Mutter erzählt?“ Ein scharfer Unterton lag in seiner Stimme, und sie sah, wie angespannt seine Muskeln plötzlich waren. Von seiner befriedigten Entspannung nach den langen Momenten der gemeinsamen Lust war nichts mehr zu sehen.
Verwirrt sah Linda ihn an und merkte, wie sie das Laken über ihre entblößten Brüste zog. „Ich rede nicht viel über sie, weil … sie hat meinen Vater verlassen, als ich noch ein Kind war. Deshalb bin ich zu meiner Tante und meinem Onkel gekommen. Ich … ich habe sie nie wieder gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch lebt.“
„Warum hast du nie von der Herkunft deiner Mutter erzählt?“, fragte er mit finsterem Blick, während Linda das Laken umklammerte, das ihren Körper bedeckte … der Körper, der immer noch die Leidenschaft spürte, die sie miteinander geteilt hatten.
„Warum bist du denn so wütend, Karim?“ Sein seltsames Verhalten verwirrte sie und machte ihr plötzlich Angst … als ob ihr Liebhaber sich mit einem Mal in einen abschreckenden Fremden verwandelt hätte. „Was habe ich denn getan?“
„Als ob du das nicht wüsstest, Linda.“
„Ich weiß es nicht, glaub mir doch.“
„Ich bin Araber, von meines Vaters Seite.“ Er schlug eine Hand gegen seine Brust. „Wie kann ich vor mir selbst und meinen Landsleuten rechtfertigen, dass ich eine Frau habe, die verwandt ist mit denjenigen, die für die Attacke verantwortlich sind, bei der mein Vater brutal erschlagen wurde? Der
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