JULIA SOMMERLIEBE Band 21
umschnürt war.
Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als er zu ihr trat. In seinem arabischen Umhang verströmte er eine lässige Eleganz; er verwandelte ihn in einen Menschen, den sie kaum zu kennen schien. Seine Miene wirkte ernst. Als er dann vor ihr stand, sah er sie unter verhangenen Lidern an, als würde er ein Ölgemälde begutachten.
Er nahm ihre Hand und führte Linda über den wunderschönen Marmorboden zu dem Ma’zoun, der auf einem Gebetsteppich aus Seide stand, um die Trauung vorzunehmen. Doch zunächst richtete der Ma’zoun ein paar Worte an sie und hielt immer wieder inne, damit Karim seine Worte für Linda übersetzen konnte. Er sprach von den kulturellen und religiösen Unterschieden zwischen der westlichen und arabischen Welt. Betonte jedoch, dass die Hochzeit zwischen Mann und Frau auf der ganzen Welt auf den gleichen Prinzipien beruhen würde. Das Paar solle in Einklang und Leidenschaft verbunden sein, und in gegenseitigem Respekt.
Linda fühlte sich wie in einem Traum, als sie mit Scheich Karim el Khalid de Torres verheiratet wurde, ihrer beider Hände von einem grünen Seidenband aus Mekka umschlungen. Karim gelobte vor Zeugen, für sie zu sorgen und sie zu beschützen. Dann unterschrieben sie beide die Heiratsurkunde, die auf Arabisch verfasst war. Der Stift zitterte in Lindas Hand, während Karim entschieden und schwungvoll unterschrieb.
Hinterher nahm Karim sie weder in die Arme noch küsste er sie, wie in der westlichen Welt üblich. Sie war vollständig verhüllt, bis auf die silbern eingefassten Schlitze am Arm. Sie wusste, dass die Männer sich hier zurückhielten, ihre Frauen in der Öffentlichkeit zu berühren. Eine Frau war allein die Privatangelegenheit eines Mannes, und heute sah El Khalid wie seine Vorfahren aus, mit seinem herrschaftlichen Gebaren, das seine arabische Kleidung noch unterstrich.
Nach der Trauung wurde Linda in den sala geführt, wo sie am Abend zuvor mit Karim gegessen hatte. Heute würde ihr Ehemann für etwa eine Stunde bei seinen Freunden bleiben, sodass sie allein essen musste. Doch es machte ihr nicht das Geringste aus, denn so hatte sie Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie jetzt verheiratet war. Mit einem Mann aus einem ihr völlig fremden Land.
Durstig nahm sie einen Schluck von der kühlen Limonade, lehnte sich gegen das Kissen und war froh, den Brautschleier für eine Weile ablegen zu dürfen. Ein köstliches Omelett mit Käsesoße wurde auf dem Tisch vor dem Diwan serviert, danach Mandelkuchen und erfrischender Pfefferminztee.
Nachdem der Tisch wieder abgeräumt worden war, lehnte Linda sich zurück.
Nun war sie also eine s heika und hatte das Leben, das sie in England geführt hatte, endgültig hinter sich gelas sen. Obwohl bei der Trauung ihr zuliebe ein paar geringfügige Konzessionen gemacht worden waren, zweifelte sie nicht daran, dass Karim sich ihr gegenüber ganz wie ein Araber verhalten würde. Jetzt gehörte sie ausschließlich ihm und musste ihre Interessen und Ideale den seinen anpassen.
Und wenn er dann zu ihr kommen würde, wäre er der Herrscher über ihren Körper und ihr Schicksal.
6. KAPITEL
Linda schwankte einen Moment, weil sie sich plötzlich schwach fühlte, und hielt sich an Karims Arm fest. Sie war nun tatsächlich die Braut dieses herrschaftlich aussehenden Mannes, der schließlich gekommen war, um sie für sich zu beanspruchen. Linda hatte den Schleier wieder angelegt, als Husain zu ihr geeilt war, um ihr mitzuteilen, dass seine Eminenz sich gerade von seinen Freunden verabschiedete.
Seite an Seite gingen sie den Säulengang entlang. Diesmal ließen sie ihr Schlafzimmer hinter sich und näherten sich seiner Suite. Linda spürte, dass er sie ansah, doch sie brachte es nicht über sich, seinem Blick zu begegnen. Sie hörte ihn leise lachen, als ob er ihre Schüchternheit für dieses Mal akzeptieren würde.
Als sie die Rundbogentür erreichten, die in die Suite des Hausherrn führte, sagte Karim plötzlich: „Es ist Brauch, nicht wahr, dass der Ehemann seine Braut über die Schwelle des Schlafzimmers trägt?“
Bevor sie noch über eine Antwort nachsinnen konnte, hatte er sie schon hochgehoben und trug sie in das Zimmer, das beherrscht wurde von einem großen, breiten Bett.
„Weißt du, wie dieser Brauch entstanden ist?“ Er stand da und hielt sie in den Armen, während sein eindringlicher Blick sie dazu zwang, ihn anzusehen. „Er stammt aus der Zeit der Sabinerinnen. Als die römischen Zenturien durch
Weitere Kostenlose Bücher