JULIA SOMMERLIEBE Band 21
schmerzhafte Prickeln in ihren Fingern brachte sie wieder zur Besinnung. Entsetzt stolperte sie zurück, während ihre Augen fast unnatürlich hell in ihrem aschfahlen Gesicht leuchteten. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, und sie sah aus, als ob sie eben gefoltert worden wäre.
„Es tut mir nicht leid, dass ich dich geschlagen habe“, sagte sie atemlos. „Die ganze Zeit hat mich mein Instinkt vor dir gewarnt. Als wir in Barcelona waren, hätte ich davonlaufen und zum britischen Konsulat gehen sollen. Sie hätten mir geholfen, nach England zurückzukehren. Oh Gott, wenn ich doch jetzt dort sein könnte! Nachdem ich dich durch meine Berührung besudelt habe. Zu schade, dass wir nicht mehr in den Zeiten leben, als die arabischen Herrscher sich ihrer Frauen entledigen konnten, indem sie sie als Sklavin verkauften.“
„Hör mir zu, du kleine Närrin.“ In seinen Augen brannte heiße Wut. „Selbst heute wäre es mir ein Leichtes, das zu tun, was du eben erwähnt hast.“
„Und warum tust du es nicht?“ Sie zuckte die Schultern und hatte beinahe vergessen, dass sie völlig nackt vor ihm stand.
„Genug jetzt!“ Seine Stimme war wie ein Peitschenhieb und ließ sie zusammenfahren. War seine Leidenschaft nur ein Traum gewesen, seine tröstliche Umarmung, als sie eng umschlungen in dem großen Bett gelegen hatten? Waren sie tatsächlich Liebende gewesen, die nie wieder getrennt sein wollten? Jetzt standen sie sich gegenüber, getrennt durch einen tiefen Abgrund, der gefüllt war mit seinem Hass auf die Menschen, die seinen Vater umgebracht hatten.
Lindas Blick ging zu Karim, in der verzweifelten Hoffnung, in ihm noch etwas von dem Mann zu finden, der sie zu der seinen gemacht und ihr den Himmel auf Erden geschenkt hatte. Doch als sie nun in seine Augen blickte, sah sie nichts als einen unerbittlichen Fremden. Verloren und zutiefst verletzt wandte sie sich von ihm ab, kroch wieder ins Bett, zog die Beine an und versteckte ihren schlanken Körper, an dem er sich so ausgiebig erfreut hatte, unter dem Laken.
„Ich habe dich in gutem Glauben geheiratet“, sagte er. „Unglücklicherweise habe ich eine Frau erwählt, die mich nun immer an meine einsame Kindheit erinnert. Ich wollte, dass wir ein Kind haben. So hätte ich die Einsamkeit vergessen können, durch die Freude, es glücklich zu machen. Aber wenn ich dich jetzt anschaue, sehe ich den Geist meiner Mutter. Und weder für dich noch für irgendeinen anderen werde ich meinen Hass vergessen. Ich kann nichts dagegen tun, so einfach ist das.“
„Dann schick mich um Himmels willen fort. Lass mich zurück nach England gehen“, bat Linda. „Für dich ist es doch ein Leichtes, dich von mir scheiden zu lassen. Mach es, dann können wir dieses schmerzliche Erlebnis vergessen.“
„So einfach ist das nicht …“
„Doch, so einfach ist das.“ Sie sah zu ihm hoch. „Falls das geschehen ist, was dir Sorgen bereitet, kümmere ich mich um einen Abbruch.“
„Einen was ?“ Sein Gesicht wurde aschgrau. Er trat zu ihr und umklammerte schmerzhaft ihre Schultern. „Glaubst du wirklich, ich würde meine Erlaubnis zu einer Abtreibung geben?“
„Und warum nicht?“ Sie warf die Haare zurück und sah ihm mutig ins Gesicht. „Wie kannst du jetzt noch ein Kind von mir haben wollen? Wie könntest du es je lieben, wenn du so voller Hass bist?“
Mit wütenden, funkelnden Augen sah er auf sie hinunter. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie daran dachte, wie sie sich geküsst hatten und zu einem Ganzen verschmolzen waren. Seine Lippen, die von heißem Verlangen erfüllt gewesen waren, waren nun schmal vor Wut.
„Jungfrauen empfangen nicht immer gleich zu Anfang einer Ehe“, sagte sie ruhig, „außer du willst mich jetzt beschuldigen, keine Jungfrau gewesen zu sein.“
Sein Blick glitt über ihren weißen Körper. „Ich zweifle nicht daran, dass du noch Jungfrau warst. Aber deine Behauptung, beim ersten Mal vielleicht kein Kind zu empfangen, entbehrt der Grundlage. Du wirst dich wohl erinnern, dass wir uns mehr als ein Mal geliebt haben.“
„Geliebt haben?“ Als sie ihren Blick zu ihm hob, lag keinerlei Illusion mehr darin. „Du besitzt tatsächlich die Frechheit, es so zu nennen? Du hast nichts anderes getan, als dich von meinem Körper zu bedienen, aber mein Herz hast du nicht berührt. Und wenn du glaubst, dass ich hier bleibe, während du nur darauf lauerst, ob ich schwanger bin, dann hast du dich getäuscht. Ich habe auch meinen Stolz! Wenn du mich
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