JULIA SOMMERLIEBE Band 21
eines Arabers ist eine schnelle, tödliche Waffe.“
Linda bemühte sich um eine unbewegte Miene, als Haid sie in dem silbern schimmernden Licht ansah. „Ich habe bemerkt, dass jeder meinen Mann für einen reinen Araber hält. Aber in seinen Adern fließt auch spanisches Blut.“
„Und welche Seite bevorzugen Sie, Mylady?“
„Ich habe keine Präferenz.“
„Ach nein?“
„Und Sie haben kein Recht, mir solche Fragen zu stellen.“
„Araber sind eben neugierig, und ich bin durch und durch Araber.“
„Dann missbilligen Sie also grundsätzlich, dass der Scheich mich zur Frau gewählt hat?“
„Ein Mann nimmt sich die zur Frau, Lady Linda, die ihm am besten gefällt. Und es ist offensichtlich für uns alle, dass Sie hoch in seiner Gunst stehen. Er ist sehr beliebt bei den Berbern. Deshalb ist er jetzt in Rabat, weil sie ihn zu ihrem Anführer machen wollen, so wie sein Vater einst, ehe er umgebracht wurde. El Khalid war immer beiden Seiten gegenüber loyal, den Berbern und den Spaniern. Aber jetzt, da er in Fes geheiratet hat, besteht Hoffnung, dass er hier bleibt.“
Schweigend saß Linda im Sattel und starrte in die dunkle Wüste, über der ein silberner Schimmer hing. „Wissen Sie vielleicht, wie er sich entscheiden wird?“, fragte sie, während das Gefühl der Trostlosigkeit wieder in ihr Herz einzog.
„Diese Entscheidung, meine Dame, liegt allein in seinen Händen und denen Allahs.“
„Er liebt seine Landsleute, nicht wahr?“
„Es gibt keine größere Loyalität als die unter Arabern.“
„Und Karim wäre genau der richtige Mann für diese Position?“
„Viele halten ihn dafür, ja.“
„Ich … ich auch.“ Plötzlich trieb sie ihr Pferd zu einem Galopp an, während Tränen in ihren Augen schimmerten. Sie allein wusste, dass Karims Entscheidung von einem Namen abhängig war, der in ein kleines goldenes Herz eingraviert war.
Am folgenden Morgen spielte die Hand des Schicksals Linda eine Karte in die Hand, die ein ernstes Gesicht trug. Sie war in Karims Ankleidezimmer gegangen, um den Gürtel wegzulegen, den sie für ihn auf dem Basar gekauft hatte. Sie wollte nicht herumschnüffeln, sondern nur für einen Moment seine Sachen berühren, um sich ihm näher zu fühlen. Besonders ein blaues Hemd hatte es ihr angetan, das er auf dem Weg von Spanien hierher getragen hatte.
Als sie das Hemd hochhob, um es an ihr Gesicht zu drücken, fiel ein gelbbrauner Umschlag auf den Boden, der zwischen dem Hemd gesteckt hatte. Als Linda ihn aufhob, ertasteten ihre Finger etwas Festes, Quadratisches darin. Da der Umschlag nicht verschlossen war, warf sie einen Blick hinein und entdeckte einen Ausweis aus rotem Kalbsleder, der genauso aussah wie der, den sie bei dem Unfall auf der Straße verloren hatte.
Als Linda den Ausweis herausnahm und aufschlug, sah sie, dass ihr Foto darin klebte. Außerdem lagen ihre Dokumente gefaltet darin, die laut Karim beim Sturz von der Klippe verloren gegangen waren.
Er hatte ihr geschworen, dass die Papiere nicht mehr aufzufinden seien, und trotzdem stand sie nun da und hielt sie in Händen.
Karim hatte sie angelogen. Er hatte sie gezwungen, sich ihm verpflichtet zu fühlen, obwohl sich in dem Ausweis auch das Geld befand, das sie nach Spanien mitgenommen hatte. Er hatte ihr ins Gesicht gesagt, dass sie völlig mittellos sei und dass ihre notwendigen Papiere für immer verloren wären.
Wut stieg in ihr hoch, als sie das blaue Hemd wieder in die Schublade stopfte und diese fest zuschlug. Dann verließ sie die Suite und hastete mit dem Ausweis und dem, was sich noch darin befand, zu ihrem Schlafzimmer. Verdammt, er hatte ihr nicht einmal die Chance gegeben, sich ihm zu widersetzen. Er hatte ihre Naivität ausgenutzt. Sie hatte in jeder Hinsicht in seine Pläne gepasst, bis er den Namen ihrer Mutter in dem kleinen Herzchen entziffert hatte, das Herz, das genauso hart war wie sein eigenes.
Erleichtert atmete sie auf, da keines der Mädchen in ihrem Zimmer war. Sie schloss die Tür und schob entschieden den Riegel vor. Es gab nichts, das sie noch im Ras Blanca halten könnte. Karim wollte ohnehin kein Kind mehr von ihr. Und sollte er als politischer Anführer in Fes bleiben, würde er kaum eine Frau zur Gattin haben wollen, die seine Position unter den Berbern möglicherweise gefährden könnte.
Sie wollte nur ihre Handtasche mitnehmen, um die Angestellten nicht misstrauisch zu machen, sollten sie mitbekommen, wie sie das Haus verließ. Dem Chauffeur würde sie sagen,
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