JULIA SOMMERLIEBE Band 21
England sei und sich wünschte, dass ein Wahrsager ihr die Zukunft verraten würde, die sie in der arabischen Wüste erwartete.
9. KAPITEL
Unverwandt sah der alte Mann Linda an und spähte mit seinen kleinen scharfen Augen durch die Schlitze, die ein kleines Stück ihrer Augen enthüllten. Dann sagte er etwas zu Sofie, und seine Stimme klang so rau wie die Sandkörner, wenn sie durch den Hofgarten von Ras Blanca fegten.
Sofie wandte sich schließlich an Linda und berichtete, was der Wahrsager gesagt hatte: Dass er sehr gerne die Zukunft einer roubia aus dem Sand lesen würde, die vordergründig vieles hätte, um das man sie beneiden könnte.
Linda war verblüfft. „Wie kann er denn wissen, dass ich blond bin?“
„Reine Spekulation, nehme ich an, lellah “, erwiderte Sofie auf Spanisch. „Möchten Sie, dass er weitermacht?“
„Oh ja.“ Linda hatte keine Zweifel. „Er sieht so alt aus wie die Berge und weise wie eine Eule. Es wird sicher interessant, auch wenn er mir nur Unsinn erzählt.“
Sofie bat den alten Mann fortzufahren. Er nahm ein Säckchen aus seinem schmuddeligen Umhang und schüttete ein kleines Häufchen Sand auf den Boden. Dann fuhr er mit dem Zeigefinger durch den Sand und gab Sofie Anweisungen, die sie für Linda übersetzte. Sie sollte den Sand mit dem rechten Zeigefinger umrühren. Als Linda sich daher zu ihm vorbeugte, versuchte sie nicht auf den Geruch zu achten, der von seinem Umhang herrührte. Er stank, als ob er seit Ewigkeiten nicht gewaschen worden wäre. Wahrscheinlich schlief der alte Mann sogar darin und wischte sich die Hände nach dem Essen daran ab. Sie war froh, als sie sich wieder aufrichten konnte. Er starrte auf das Muster am Boden, dann begann er mit seinem Oberkörper vor und zurück zu schaukeln, die Augen für ein paar Sekunden fest geschlossen. In der Stille konnte Linda hören, wie die Teppichverkäufer hinter ihnen die Vorzüge ihrer Ware anpriesen.
Plötzlich begann der Wahrsager zu sprechen, und Sofie hörte gespannt zu, während Perveneh sich an Lindas Arm klammerte. Offenbar machte der alte Mann ihr ein wenig Angst, der seine Augen wieder geöffnet und auf Linda gerichtet hatte.
Als er nach einer Weile innehielt, wollte Linda wissen, was er gesagt hatte. „Also, Sofie, habe ich eine glückliche oder traurige Zukunft?“
„Er sagt …“ Sofie sah ein wenig verloren aus. „Der Sand hat ihm erzählt, dass Sie eine Reise durch die Wüste machen. Sie werden auf Flügeln davonschweben, um in Windeseile einem Schatten zu entfliehen, der sie verfolgt.“
Entgeistert starrte Linda das Mädchen an. „Das klingt doch recht unsinnig. Frag ihn, was es bedeuten soll.“
Sofie sprach wieder mit dem Wahrsager. Er zuckte die Schultern und schielte wieder auf das Sandmuster, dem Linda keine Bedeutung abgewinnen konnte. Welche Reise sollte sie denn machen, jetzt, da Karim in Rabat war? Selbst wenn sie durch die Wüste reiten würde, würde sie sich an seine Anweisung halten und Haid Saidi mitnehmen, einen der Aufseher.
Wieder murmelte der Wahrsager vor sich hin. Und diesmal fügte er hinzu, dass der Schatten nicht anders könne als sie zu verfolgen, weil er Teil ihres Herzens sei und mit ihr reisen würde.
„Aber wo gehe ich denn hin?“, wollte sie wissen.
„Dorthin, wo der Wüstensand nicht mehr hinreicht, sagt er.“
„Ach, das ist doch nur Unsinn. Ich hätte auf dich hören sollen, Sofie. Hier, gib dem Scharlatan sein Geld. Dann lass uns nach Hause gehen und essen. Ich bin halb verhungert.“
Zu Hause im Ras Blanca ließ Linda sich ihren Lunch schmecken, doch sie fühlte sich sehr allein, als sie ihren Kaffee im sala trank. Unwillkürlich musste sie an ihren Hochzeitstag denken, als sie hier auf Karim gewartet hatte.
In ihre Kissen gekuschelt erinnerte sie sich daran, wie sie gemeinsam den Säulengang entlanggeschritten waren, während ihr Herz vor Aufregung viel zu schnell schlug. Sie hatte sich danach gesehnt, in Karims Armen zu liegen. Gleichzeitig war sie von Angst erfüllt gewesen, vor ihm zu versagen … einem Mann von Erfahrung, der nicht nur hübsche arabische Mädchen, sondern auch europäische Frauen von Welt gekannt hatte.
Während sie ihren Kaffee trank, erinnerte sie sich an ihr erstes Zusammensein. Dann kroch ein Schatten über ihre Erinnerung, als sie an die hässliche Szene nach den Stunden voller Leidenschaft dachte. Sie nahm Karim nicht übel, dass er verbittert war, und seine harte Ablehnung war Gott sei Dank verflogen, als er sie
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