JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Marvel-Mitchell Realties noch eine hoffnungsvolle Zukunft.
Geleitet von diesem Gedanken legte sie den Vertrag zurück und schob ihn auf die Seite. Der Atem stockte ihr, als sie ihren entwendeten Verlobungsring entdeckte, der auf einem bestimmten, unglaublich erotischen Foto lag. Sie versuchte, das eindringliche Bild zu ignorieren, und hatte gleichzeitig Angst, es zu berühren. Warum übte dieser Mann, der sie hier gefangen hielt, eine solche Anziehungskraft auf sie aus?
Halt! Hatte Nicholas nicht erzählt, es existierten weitere Bilder? Wo waren sie? Wo hatte er sie versteckt? Fieberhaft überlegte Vivian. Die Hochzeit sollte übermorgen stattfinden. Wenn es ihr doch nur möglich wäre, die Katastrophe hinauszuzögern, bis die Trauung vorüber war. Sie wollte nicht, dass ihr Hochzeitsgeschenk für Peter und Janna aus einem Haufen pornografischer Fotos und dem drohenden finanziellen Ruin bestand. Sie stellte sich den Gesichtsausdruck des armen Pfarrers vor, der zufällig einen Blick auf eines der Bilder erhaschte. Niemals würde es ihr mehr möglich sein, erhobenen Hauptes in die Kirche zu gehen.
Wie sehr sehnte sie sich danach zu glauben, dass ihr kurzer Aufenthalt Nicholas’ Verbitterung gelindert hatte, dass sie ihn weicher gemacht und ihn verändert hatte. Doch sie konnte das Risiko nicht eingehen, sich auf ihr zunehmend getrübtes Urteilsvermögen zu verlassen. Was ihn betraf, schien sie keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können. Erst wenn Janna und Peter sicher in den Hafen der Ehe eingelaufen waren, würde Vivian sich erlauben, Nicholas zu vertrauen, ihm die Wahrheit zu sagen und zu hoffen. Zu hoffen, dass sie zu Recht daran glaubte, er habe ein Gewissen und einen Rest an Ehre und Anstand.
Hektisch wühlte sie in der Schublade, griff bis ganz nach hinten, wo sie etwas ertastete. Es war irgendein Gerät und es hatte sich verkeilt. Mit einem Ruck zog sie es heraus.
Ein Mobiltelefon! Sie drückte auf einen Knopf. Ein funktionierendes Mobiltelefon. Die Zivilisation war nur einen Anruf weit entfernt!
Ihre Möglichkeiten jagten ihr im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Sie musste ihren Plan nicht durchziehen. Sie könnte Peter anrufen oder die Polizei. Sie könnte einen Skandal verursachen, allen Beteiligten viel Kummer bereiten, aber sich selbst retten.
Und Nicholas womöglich für immer aus ihrem Leben verbannen …
Vivian ließ das Telefon laut klappernd in die Schublade fallen. Genau in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sich noch jemand im Raum befand.
Sie hatte ihn nicht die Treppe heraufkommen hören und nun erkannte sie, warum: seine Füße waren nackt. Mit großen Schritten und völlig lautlos überquerte er den unebenen Holzboden. Er trug lediglich einen weißen Frotteemantel, sein vom Duschen feuchtes Haar hatte er aus der Stirn gestrichen.
Er atmete schwer. Und er war wütend. Sehr wütend.
„Wie unvorsichtig von mir.“ Nicholas beugte sich vor und schlug so heftig die Schublade zu, dass sie sich fast die Finger eingeklemmt hätte.
„Und noch viel unvorsichtiger von dir, dich erwischen zu lassen.“ Er drehte den Schlüssel um und zog ihn in einer fast brutalen Bewegung ab. Vivian glitt aus dem Stuhl und zog sich nervös zurück.
„Was hast du hier gemacht, Vivian?“, fragte er sie barsch und kam drohend auf sie zu. „Hast du herumgeschnüffelt? Oder wolltest du verzweifelt ein Telefon finden, um deinen Lover zu warnen?“
Wortlos wich Vivian vor ihm zurück. Nach nur wenigen Schritten stieß sie mit ihren Oberschenkeln gegen den Computertisch. Auch wenn sie verwirrt war, sie musste sich zusammennehmen. Es war wichtig, dass sie einen klaren Kopf behielt.
In diesem Moment blieb er stehen. Sein Körper war zum Zerreißen gespannt. Glühender Zorn funkelte ihr entgegen.
„ Nein! “, wollte sie schreien, doch es war nur ein Flüstern. Mit seinem Auftauchen hatte er die Entscheidung, die sie in jener Sekunde getroffen hatte, zunichte gemacht. Weder die Polizei noch Peter hätte sie angerufen, denn sie wollte dem Glück ihrer Schwester nicht im Wege stehen. Doch er würde ihr kein Wort glauben. Dennoch wollte sie ihm sagen, wofür sie sich unmittelbar vor seinem Erscheinen entschieden hatte. Sie räusperte sich. „Nein. Ich … Ich wusste nicht, dass ein Telefon darin lag. Ich suchte nur nach den Fotos. Du sagtest, dass du noch andere hättest …“
„Ich sagte auch, du bist leichtgläubig“, spöttelte er. „Die einzigen Fotos, die ich hatte, hast du zerrissen.
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