JULIA SOMMERLIEBE Band 21
getroffen haben. Wieso siehst du nicht ein, dass wir vom Schicksal dazu bestimmt sind, ein Liebespaar zu werden?“
Wieder erwähnte er das Schicksal. War sie nicht genau aus diesem Grunde hierher gekommen? Um dem Schicksal die Stirn zu bieten? Vivian erschauerte erneut.
„Dir ist kalt! Wieso sagst du nichts?“, bemerkte Nicholas besorgt. Ungeduldig schlüpfte er aus seiner schweren Öljacke und legte sie ihr um die Schultern. Dann nahm er ihre eiskalte Hand, hakte sie bei sich unter und führte sie schützend über den steinigen Pfad auf das Cottage zu. „Du hättest den Parka anziehen sollen, den ich dir anbot. Mach es dir nicht unnötig schwer. Und wenn du schon aufbrausend davonstürmst, dann pass bitte auf die Wildtiere auf. Sie haben hier erste Priorität. Nowhere Island ist ein Naturschutzgebiet und Teil eines maritimen Parks. All diese abseits gelegenen Inseln sind in Wirklichkeit die Spitzen von untergegangenen Bergen; und die ausgewaschenen Vulkantunnel, die an der Küste und am Meeresgrund auftreten, bieten einen sehr reichen Lebensraum für Meerestiere.“
„Du klingst wie ein ökologischer Fremdenführer“, erwiderte sie mürrisch. Sie versuchte, nicht auf die Begeisterung in seiner Stimme zu reagieren, aber es fiel ihr unendlich schwer.
„Ich will hoffen, dass mein Wissen zu mehr reicht als dazu, Urlauber herumzuführen“, sagte er trocken und öffnete die Hintertür. „Als Meeresbiologe lehne ich den Umwelttourismus ab.“
„Bitte was?“
Nicholas schob die erstaunte Vivian über die Türschwelle in die Küche, wo Frank über einer brutzelnden Pfanne gebeugt fluchte. Leise schloss er die Tür hinter sich.
„Dir gehört doch eine Bauträgergesellschaft!“, vergewisserte sie sich verwirrt, während er ihr die Jacke von den Schultern streifte und sie an einem Haken an der Tür aufhängte.
„Das stimmt, aber gleichzeitig bin ich auch Meeresbiologe. Es ist durchaus möglich, mehr als nur eine Sache im Leben zu machen, Vivian. Man muss sich nicht einschränken, um den niedrigen Erwartungen anderer Menschen gerecht zu werden“, erklärte er ruhig. War dieser Seitenhieb auf sie gemünzt?
Er drückte einen Finger gegen ihr Kinn und klappte ihren Mund zu. „Was ist denn, Rotschopf? Passe ich nicht in dein Klischee von einem von Trauer zerfressenen Rächer?“ Er trat einen Schritt zurück. „Ich gehe vor dem Essen schnell duschen.“
Seine Augenklappe bewegte sich leicht und vermittelte den Eindruck, als zwinkere er schelmisch. „Zögere nicht, mir Gesellschaft zu leisten, falls du den Wasserbehälter schonen möchtest.“ Er lachte leise.
Sobald er aus dem Zimmer war, drehte Vivian sich zu Frank um.
„Hat er wirklich einen Abschluss in Meeresbiologie?“
„Ja. Er hatte ein Sportstipendium in den Vereinigten Staaten bekommen.“
Sie wartete ein Weilchen, doch wie üblich fügte er keine weiteren Informationen hinzu.
„Sie reden nicht sehr viel, nicht?“
„Habe nicht viel zu sagen.“
Vivian hätte sich gekränkt gefühlt, wenn sie nicht vor einer Weile entdeckt hätte, dass er genauso wortkarg war, wenn er sich mit Nicholas unterhielt. Noch grübelte sie, welche Aufgabenstellung Frank genau ausfüllte: Er schien eine Kombination aus Assistent, Diener, Leibwächter, Chefkoch und Handwerker zu sein.
Da sie alleine in der Küche waren und Nicholas in der nächsten Zeit nicht auftauchen würde, fasste sie sich ein Herz. Schon lange wollte sie diese Frage stellen.
„Wo ist Nicholas’ Sohn?“
Frank zuckte mit den Schultern. „Fragen Sie Nick.“
Sie hatte damit gerechnet, dass er nichts ausplaudern wollte. Aber sie ließ nicht locker.
„Er redet nicht darüber. Weder über seinen Sohn noch über seine Frau.“ Sie schnaubte frustriert. „Wie lange arbeiten Sie schon für Nicholas? Haben Sie seine Frau je kennengelernt? Wissen Sie, wie sie war?“
Nun drehte Frank sein falkenartiges Gesicht doch zu ihr um und betrachtete sie mit hartem Blick.
„Sechs Jahre. Nein. Schön.“
Es dauerte einen kurzen Moment lang, bis sie begriff, dass er all ihre Fragen beantwortet hatte. Sie seufzte. „Ich habe mir gedacht, dass sie das war.“
Überraschenderweise verwandelte sich Franks mürrischer Ausdruck bei ihren Worten zu einem Lächeln. „Nicht annähernd so schön wie Sie.“
Unwirsch blickte sie ihn an. „Ist ja schon gut, Sie müssen nicht auch noch Salz in die Wunde streuen. Sie war so perfekt, dass er nie mehr eine Frau getroffen hat, die es mit ihr aufnehmen
Weitere Kostenlose Bücher