Julia Sommerliebe Band 22
Fallschirmspringen ohne Fallschirm?“
„Mal sehen, ob ich deine Hobbys genauso gut erraten kann. Lesen? Spaziergänge im Park? Handarbeiten?“
„Du hast Blumenpressen, Kochen und Stricken vergessen“, gab sie zuckersüß zurück. „Und was wäre so schlimm daran, wenn das meine Hobbys wären?“
Überrascht schwieg er einen Moment. Dann zuckte er mit den Schultern. „Gar nichts. Aber was ist so schlimm an meinen Freizeitbeschäftigungen?“
„Schlimm? Schlimm finde ich nur, dass du meine Familie da hineinziehst. Davon abgesehen ist es mir gleichgültig, ob du dich aus schwindelnden Höhen auf Klippen stürzt oder mit voller Geschwindigkeit gegen irgendein Hindernis bretterst.“
„Ich hatte eigentlich vor, sehr alt zu werden und dabei gesund zu bleiben.“
„Und ich möchte, dass meine Mutter das auch tut.“ Die Worte waren heraus, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte.
Schlagartig wich die Ironie aus seinem Gesicht. Beinahe erschrocken sah er Caroline an. „Gibt es denn einen triftigen Grund, warum sie das nicht tun sollte?“
„Wenn du sie nicht weiter zu so halsbrecherischen Sportarten animierst, nein. Sie ist fast siebzig.“
„Vielleicht habe ich dich missverstanden“, sagte er langsam. „Nur damit ich das richtig verstehe … du glaubst allen Ernstes, dass ich irgendeinen Einfluss auf die Freizeitaktivitäten deiner Mutter habe?“
„Du bist angeblich ihr Freund!“ Verständnislos schüttelte Caroline den Kopf. „Wenn man jemanden liebt, dann will man doch, dass dieser Mensch sicher ist und keine gefährlichen Wagnisse eingeht. Aber Sicherheit scheint für dich ein Fremdwort zu sein.“
Einen Moment herrschte Schweigen.
Romano musterte sie nachdenklich. „Wenn du jemanden wirklich liebst, Caroline, dann schenkst du ihm Freiheit“, widersprach er leise. „Oder möchtest du die Menschen, die du liebst, lieber in ein freudloses Vakuum stecken, nur weil du Angst hast, ihnen könnte sonst etwas zustoßen?“
„Viele Menschen kosten ihr Leben voll aus, ohne sich irgendwelchen Gefahren auszusetzen.“
„Arme Caroline. Unglaublich, wie viel Angst du vor dem Leben hast. Du brauchst einen Bösewicht, einen Sündenbock, in deiner kleinen angstbesetzten Welt. Einen, dem du alle Schuld zuweisen kannst. Hast du mich zu deinem Bösewicht erkoren?“
Irritiert schwieg sie. Steckte in seinen Anschuldigungen ein Funken Wahrheit? Machte sie ihn wirklich für ihre Sorgen verantwortlich?
Warum konnte er sich nicht einfach aus dem Leben ihrer Mutter heraushalten? Warum akzeptierte er Caroline nicht einfach so, wie sie war? So ungewöhnlich war es ja wohl nicht, dass sich eine Tochter Sorgen um ihre älter werdende Mutter machte. Wie leicht konnte sie glauben, dass er einfach nur seine eigene Risikobereitschaft, vielleicht sogar sein schlechtes Gewissen, reinwaschen wollte, indem er sie anklagte. Angriff ist die beste Verteidigung.
Doch Caroline wollte sich nicht selbst betrügen. Wenn seine Worte sie so trafen, war vielleicht etwas Wahres daran. Was, wenn Romano tatsächlich recht hatte? Darüber musste sie nachdenken. Jedoch nicht unter seinem eindringlichen Blick. Vor ihm brauchte sie ihr Inneres nicht auszubreiten, damit er darin herumstocherte und sich über sie lustig machte. „Können wir bitte jetzt gehen?“, flüsterte sie.
Romano nickte und beglich ohne weitere Diskussionen die Rechnung. Am Wagen öffnete er ihr die Beifahrertür und sah zu, wie sie sich anschnallte.
Schweigend fuhren sie nach Kalkara zurück. Innerlich war Caroline aufgewühlt. Es fiel ihr schwer, die Fassung zu wahren. Tränen brannten in ihren Augen. Mit einem Mal brach alles über ihr zusammen. Die anstrengenden letzten Monate, die Sorge um ihre Mutter, die Demütigungen durch Romano …
Romano parkte vor dem großen Haus und stellte den Motor ab.
Caroline drehte sich weg und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
Stirnrunzelnd musterte er sie und legte ihr dann sacht einen Finger unter das Kinn, um ihren Kopf zu sich zu drehen. „Tränen?“, fragte er sanft. „Um wen weinst du, Caroline?“
Um wen, nicht warum …
Diese Frage rührte an einen tief verschütteten Kummer. Doch Caroline war jetzt zu sehr damit beschäftigt, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, als dass sie der Klärung nachgehen konnte. „Ich weine nicht. Gute Nacht, Romano.“ Sie machte Anstalten, die Tür zu öffnen.
Romano aber griff nach ihrer Schulter. Warm und gut lag seine Hand dort, durch den
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