Julia Sommerliebe Band 24
unterbrochen von niedrigen Wanderdünen und vereinzelten Wüsteneichen.
„Känguru, Krokodil oder tasmanischer Lachs?“ Neben ihnen war eine Kellnerin aufgetaucht und bot auf einem Silbertablett winzige Hors d’œuvre an. Bonnie blinzelte ein paar Mal benommen, als hätte man sie aus einem schönen Traum gerissen.
Nichtsdestotrotz fühlte sie sich jetzt deutlich ruhiger und gelassener. Warum sollte sie nicht zusammen mit Harry einen schönen Abend verbringen?
Misstrauisch betrachtete sie die kleinen Häppchen auf dem Tablett. Sie konnte sich nicht überwinden, ein Känguru zu essen. Krokodile dagegen fraßen ab und zu Menschen, also schien es nur fair, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
„Nach dem Luwak Kaffee kann mich nichts mehr schrecken“, behauptete sie und nahm einen der hauchdünn mit Krokodilfleisch belegten Cracker. Tapfer begann sie zu kauen. Es war gar nicht einfach, gleichzeitig ihr Glas und das Häppchen zu balancieren, ohne sich dabei zu bekleckern oder ihre Handtasche fallen zu lassen.
Harry schmunzelte und reichte ihr eine Serviette. „Wir sollten uns mit dem Essen abwechseln, und der jeweils andere hält die Gläser. Wie ein altes Ehepaar.“
Was für eine Assoziation. Fast hätte sich Bonnie verschluckt. „Von denen gibt es hier einige“, sagte sie dann. „Dieser Ausflug wäre genau das Richtige für Clint und Donna gewesen.“
„Sollen wir uns setzen?“, fragte Harry, der das Thema offenbar auch nicht vertiefen wollte.
Sie fanden einen geeigneten Platz auf einem verwitterten Baumstumpf, und Bonnie verzehrte den Rest ihres Krokodilhäppchens. Da entdeckte sie auf einmal den silbergrauen Haarschopf von Iris, ihrer Patientin mit der panischen Angst vor Fliegen, und winkte ihr zu.
Iris kam zu ihnen herüber, in einer Wolke aus Chiffon und Perlen, im Schlepptau einen älteren, distinguiert wirkenden Herrn.
„Meine Liebe, wie schön Sie wiederzusehen.“ Iris strahlte und küsste Bonnie auf beide Wangen. Dann stellte sie ihren Begleiter vor. „Das ist Fergus. Er ist Witwer. Wir haben uns gestern Abend kennengelernt und so gut unterhalten, dass er mich gebeten hat, ihn heute zu begleiten.“
„Wie schön.“ Bonnie gab Fergus die Hand. „Freut mich sehr. Das ist Harry. Wir arbeiten zusammen in der Klinik.“
„Harry.“ Auch die beiden Männer tauschen einen Händedruck. Bonnie zeigte auf die Kellnerin, die gerade mit einem frisch aufgefüllten Tablett an ihnen vorbeiging.
„Haben Sie das Krokodil schon versucht?“
Iris kicherte. „Gerade vorhin habe ich zu Fergus gesagt, wenn ich eine Fliege vertrage, dann kann ich auch Krokodil essen. Er hält mich für verrückt.“ Mit einem schüchternen Lächeln sah sie zu ihrem Begleiter auf, der amüsiert die Mundwinkel verzog.
„Och, das stimmt nicht“, sagte er mit einem eindeutig schottischen Akzent. „Jedenfalls wird’s mit dir nie langweilig. Aber jetzt sollten wir die jungen Leute hier sich selbst überlassen und uns eine ruhige Ecke suchen, damit ich dir weiter den Kopf verdrehen kann.“
Die beiden verabschiedeten sich, und Bonnie sah ihnen lachend nach. „Wie wunderbar. Als ich Iris Anfang der Woche kennengelernt habe, wirkte sie so einsam und verzweifelt, und nun hat sie sich einen schottischen Gentleman angelacht.“
„Deine Patienten scheinen dir sehr am Herzen zu liegen. Jeder einzelne von ihnen, habe ich recht?“ Harry sah sie mit einem spöttischen Blick an. „Nicht alle haben so ein weiches Herz.“
Bonnie leerte ihr Glas. „Ach, jetzt tu nicht so. Dir geht es nicht viel anders. Ich sehe doch, wie du mit den Leuten umgehst, mit den Jugendlichen auf Bali oder den Patienten hier in der Klinik. Genau das ist es, was unseren Beruf zu einer Berufung macht –, dass uns unsere Mitmenschen nicht gleichgültig sind. Darum bist du auch nach Uluru gekommen.“ Noch während sie sprach, merkte sie, wie in seinem Inneren eine Tür zufiel.
„Dann gefällt dir der Job hier?“ Schon wieder wich er ihr aus. Eine Unterhaltung mit Harry zu führen war wie über ein Minenfeld zu spazieren.
„Die Arbeit macht mir Spaß, auch wenn ich gerne mehr als Hebamme arbeiten würde. Aber da es hier üblich ist, die Frauen zur Geburt nach Alice Springs zu schicken, werde ich dazu nicht viel Gelegenheit bekommen.“
Sie nahmen noch zwei weitere Hors d’œuvre und setzten sich wieder auf ihren Baumstumpf. Der Sonnenuntergang war einfach spektakulär. Bonnie suchte nach einem unverfänglichen Gesprächsthema.
„Woher kennst
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