Julia Sommerliebe Band 24
seiner Unterhaltung mit Bob aufgefallen.
Er zögerte. Eigentlich war er nicht hierhergekommen, um neue Bekanntschaften zu schließen. Die Unbekannte wirkte ebenfalls nicht so, als suche sie Gesellschaft. Er sollte das lieber respektieren.
Andererseits faszinierte sie ihn auf unerklärliche Weise. Es war etwas in ihrer Art, wie sie sich das Haar zurückstrich oder wie sie ihre Hand hielt, wenn sie das Glas absetzte. Plötzlich erschien ihm sein ursprünglicher Plan, ruhig zu Abend zu essen, nicht mehr so verlockend.
Ein harmloses, ungezwungenes Gespräch, um ihn von seinen Grübeleien abzulenken. Mehr wollte er gar nicht. Da er bereits ein Bier getrunken hatte, würde er ohnehin erst morgen nach Ubud zurückfahren.
Ganz sicher hatte er nicht vor, mit ihr zu flirten. Außerdem war sie gar nicht sein Typ. Sie wirkte einfach wie jemand, mit dem er sich gerne unterhalten würde, rein freundschaftlich und ganz ohne Hintergedanken. Diese Idee überraschte ihn selbst. In den letzten zwei Jahren hatte er nicht im Traum daran gedacht, sich einem anderen Menschen zu
öffnen.
Die Unbekannte strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus, die ihn neugierig machte. Verbarg sich dahinter Traurigkeit? Oder neigte er lediglich dazu, seine eigenen Gefühle in andere Menschen hineinzuprojizieren?
Harry gab sich einen Ruck und ging zu ihr. „Ich hatte mich schon gefragt, ob der Hühnerhaufen Sie jemals in Ruhe lässt.“ Eine bessere Gesprächseröffnung fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Aus der Nähe betrachtet wirkte sie noch attraktiver. Tatsächlich vermeinte er in ihren grünen Augen einen Anflug von Melancholie zu lesen. Trug auch sie ein dunkles Geheimnis mit sich herum?
In ihrem einfachen Seidenkleid sah sie bezaubernd aus, viel natürlicher als die anderen Touristinnen in ihren gewollt aufreizenden Bikinis. Vielleicht wollte sie ihren Körper nicht dermaßen zur Schau stellen.
Schade eigentlich.
Sein Interesse war geweckt. Ob er sie dazu bringen könnte, mit ihm zu Abend zu essen? Im Moment wirkte sie nicht sonderlich begeistert von seinem plumpen Annäherungsversuch.
Die Fremde reckte ihr Kinn in die Höhe und funkelte ihn unter ihrem Sonnenschirm hervor an. „Das waren meine Freundinnen.“
„Entschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein.“
Bonnie war hin- und hergerissen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als er dicht vor ihr stand und sie mit seinem Leuchtfeuer-Lächeln ansah. Sie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Seine Bemerkung war unverschämt gewesen, aber die Entschuldigung hatte sehr aufrichtig geklungen. Das war Bonnie von Männern bisher nicht gewohnt. Andererseits hatte sie nicht vor, sich auf einen fremden Herzensbrecher einzulassen.
„Es war gar nicht wertend gemeint“, fügte er hinzu. „Schließlich war ich auch einmal jung.“
Nicht, dass er alt wäre. Aber der Ausdruck seiner tiefblauen Augen verriet, dass er im Leben schon einiges mitgemacht hatte – und nicht nur Gutes. Bonnie kannte das Gefühl nur zu genau. Aber das ging diesen Fremden nun wirklich nichts an.
„Sie Armer.“ Wobei er ebenso wenig arm wie alt aussah. Vermutlich gehörte das alles zu seiner Strategie, mit der er Frauen beeindrucken wollte. Sie schätzte ihn auf etwa dreißig bis fünfunddreißig. Mindestens fünf Jahre älter als sie selbst.
Bonnie musste zugeben, dass er außergewöhnlich gut aussah, um nicht zu sagen atemberaubend. Sie bemühte sich um einen möglichst desinteressierten Gesichtsausdruck. Zum Glück hatte sie reichlich Übung darin. „Kennen wir uns?“
Ein weiteres Tausend-Watt-Lächeln. „Ich weiß nicht. Sind wir uns schon einmal begegnet?“ Er streckte ihr seine rechte Hand entgegen. „Harry St Clair.“
Schlanke Finger, gepflegte Nägel, ein sonnengebräunter Handrücken – und ein Ehering, der Bonnie vorher nicht aufgefallen war. Unwillkürlich wich sie ein Stück zurück. Er benahm sich nicht gerade wie ein treu sorgender Ehemann, was sie einmal mehr daran erinnerte, dass sie in einer Welt lebte, in der Zuverlässigkeit und Treue offenbar außer Mode gekommen waren.
Bonnie erhob sich aus ihrem Liegestuhl. Obwohl sie für eine Frau recht groß war, überragte er sie noch um ein gutes Stück. „Nein, ich kenne Sie nicht. Aber vielleicht kenne ich Ihre Frau?“ Sie konnte die Verachtung in ihrer Stimme nicht verbergen.
Harry ließ seine Hand wieder sinken. „Das bezweifle ich. Sie ist vor über zwei Jahren gestorben.“
Also war er Witwer. Bonnie schlug beschämt die
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