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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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Gelegenheit, ihre Ideen der Studienzeit vom kapitalistischen Markt in die sozialistische Produktion einzubringen.
    Der Kapitalismus in erlaubten Dosen hieß hier »Brigadeauftrag«. Sensationell war diese Methode deshalb, weil sie vom gesunden Menschenverstand ausging. Das System von Verträgen, wonach eine Brigade nach dem Endergebnis ihrer Arbeit entlohnt wurde, brachte allen etwas – den Arbeitern, die nun Prämien erhielten, der Unternehmensführung, deren Aufträge pünktlich oder sogar vorfristig erfüllt wurden, und natürlich den Verbrauchern.
    Noch 20 Jahre später schwärmt ein ehemaliger Kollege von der jungen Ingenieurin: »Julia beeindruckte alle sofort«, erinnert er sich. »Sie war schmal, zart und schön. Große Augen und ein kluges Gesicht. Ich erinnere mich bis heute, wie sie in einem Rock mit Rüschen und aufgenähtem Täschchen bei uns auftauchte …«
    Aber sie beeindruckte nicht nur durch ihr Äußeres. »Julia Timoschenko führte uns in das Prinzip der Arbeitsorganisation nach Brigaden ein. Wenn sie sprach, hingen alle an ihren Lippen. Sie formulierte glasklar und wusste genau, wovon sie sprach. Uns allen blieb der Mund offen stehen. Ein echter Gewinn für den Betrieb!«
    Julia hatte Glück. Ihre fünf Jahre im Leninwerk fielen in eine Zeit, da sich vieles im Lande änderte. 1985 rief der neue Generalsekretär die Perestroika aus. Ein junger, ehrgeiziger Führer machte sich daran, ein großes, krankes Land zu reformieren. Er begann mit der Wirtschaft. Die Konvergenztheorie – das Zusammenfügen des Besten aus Sozialismus und Kapitalismus –, die die neuen Behörden sich bei Andrej Sacharow abgeschaut hatten, wurde Mode. Da kam der Brigadeauftrag gerade recht. Julia Timoschenko war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Zufall trug sie ganz nach vorn. Nun wurde die Unternehmensleitung zum ersten Mal auf sie aufmerksam.
    Viertes Kapitel
Das Geheimnis der ersten Million
    Später sollte sie über ihre ersten Ehejahre während der Perestroika sagen: »Meine Familie und auch die meines Mannes waren durchaus arm zu nennen. So sehr, dass wir manchmal unserem Kind keinen Fruchtsaft kaufen konnten.« Und das meinte sie ernst. Julia legte hier das Maß einer anderen Zeit an. Es kam vor, dass Parteifunktionäre, selbst wenn sie im Kreml tätig waren, weniger verdienten als ein Bergmann, besonders wenn der seine Kraft im hohen Norden einsetzte. Allerdings gewährten Partei und Regierung ihren treuen Dienern zahlreiche Privilegien. In der Gesellschaft des entwickelten Sozialismus konnte Julia nicht von Chanel-Kostümen oder vier Flugzeugen zur persönlichen Verfügung träumen. Aber längerfristig durfte sie auf ein abgesichertes Leben hoffen. Dazu gehörten ein akademischer Grad, ein guter Schaffellmantel aus Bulgarien, eine Wohnung in einer angesehenen Gegend, Lebensmittel über die Sonderversorgung, ein Erholungsheim auf der Krim, gelegentlich eine Reise ins Ausland.
    Für die Chefin eines Gaskonzerns ein kümmerliches Dasein. Für das Mädchen aus dem »Haus des Taxifahrers« das Paradies.
    Irgendwann wäre Julia sicher auch in die Partei eingetreten, obwohl sie später stolz erklären wird, dass sie niemals Mitglied der KPdSU war. Um es exakt zu sagen: Sie kam nicht mehr dazu. Denn das war nicht ganz einfach. Die KPdSU wollte wenigstens statistisch wie eine Partei der Arbeiter und Bauern wirken. Daher galt die Aufnahmequote, die das Leninwerk vom Stadtbezirkskomitee der Partei erhielt, vor allem für Proletarier. Eine junge Ingenieurökonomin mit Universitätsdiplom konnte die Statistik verderben.
    Aber wenige Jahre später brachen neue Zeiten an. Der Lebensplan der abgesicherten Nomenklatura-Familie zeigte deutliche Risse. Alles, was die Timoschenkos von der Zukunft, vom eigenen Land und von den Spielregeln der Sowjetunion zu wissen glaubten, war plötzlich nichts mehr wert. Prinzipien, die für die Ewigkeit gemacht schienen, änderten sich alle Monate. Die Zukunft war unberechenbar, das eigene Land fremd geworden.
    Die Unberechenbarkeit hatte einen Namen – Michail Gorbatschow.
    Das Land, das der junge Generalsekretär nach langen Jahren »Lafetten-Rennen« übernahm (so nannten die Sowjetbürger die endlosen Begräbnisfeiern für verstorbene Generalsekretäre und Mitglieder des Politbüros auf dem Roten Platz), war in einem wesentlich schlechteren Zustand als das Russland, das Jelzin 15 Jahre später an Putin übergeben sollte. Das betraf nicht nur die Wirtschaft. Zum Schreckgespenst und

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