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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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zum Gespött der Welt herabgesunken, wurde dieses Imperium auf tönernen Füßen von Menschen, die in der UdSSR lebten und das Denken noch nicht verlernt hatten, nur noch als Schmach empfunden. Die kommunistische Ideologie war tot. Von ihr waren nur leere, sinnlose Rituale geblieben. Auch die große Angst der Stalin-Zeit gab es nicht mehr. Das System lebte von der Trägheit seiner Bürger und den hohen Erdölpreisen.
    Den halb toten Mitgliedern des Politbüros war es gleich, was für ein Land sie da regierten und was man in der Welt über sie dachte. Ganz anders der lebensprühende, ehrgeizige Gorbi. Er sah, dass die Wirtschaft im Westen effizienter funktionierte. Er wusste, dass die Sowjetunion bei der neuen Runde des Wettrüstens, das Reagan in den Weltraum getragen hatte, nicht mithalten konnte. Er begriff, dass es ohne tief greifende Veränderungen nicht abgehen würde. Er gab ihnen den milden Namen Perestroika, der auf Deutsch so viel wie »Umbau«, »Umgestaltung« oder »Transformation« ­bedeutet. Er glaubte, wenn man das Beste aus der Lenin’schen Lehre mit den ­lebendigen Erfahrungen der fortgeschrittenen westlichen ­Länder verband, könnte man das Imperium aus der Sackgasse führen, gleich­sam in Russland einen Kapitalismus unter Führung der Kommunistischen Partei errichten.
    Das war Gorbatschows Utopie.
    Freiheit und Zerfall waren vorprogrammiert, als der neue Generalsekretär noch über Veränderungen nachdachte und vorsichtig den berüchtigten »Scheinwerfer der Perestroika« anknipste, die neue Propagandasendung des Fernsehens, die seine Ideen zu den Massen tragen sollte. Gorbatschow ahnte nicht, was er mit dem Umlegen dieses Schalters alles auslösen sollte – stürmische Parteitage, die Spaltung der Partei, die Personalentscheidungen des sowjetischen Präsidenten, die bislang willige Diener zu Putschisten mit zitternden Händen machten. Aber das sind unwichtige Details.
    Allerdings werden sich spätere Generationen vielleicht für diese Details der Gorbatschow-Zeit interessieren. Werden doch darin ihre historischen Gesetzmäßigkeiten sichtbar, die die Politologen heute entdecken. Die Nachwelt wird erfahren, dass in jenen fernen Jahren in Russland ein neues Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung entdeckt wurde: Auf seinem Wege zu Marktwirtschaft und Demokratie musste das Imperium unweigerlich eine kriminelle Etappe durchlaufen. Die Ursachen liegen offenbar im verbrecherischen Wesen des totalitären Staates, zu dem die historischen Eigenheiten des unerforschlichen russischen Weges kommen. Im Übrigen wird die postsowjetische Publizistik beweisen wollen, dass daran nichts Besonderes sei. Zur Rechtfertigung des gigantischen Raubes in Russland wird sie mit dem Finger auf andere Länder weisen. Das Chicago der Dreißigerjahre und Al Capone geraten so beinahe zum nachahmenswerten Beispiel. Die Journalisten werden unvermeidliche Kinderkrankheiten in der Phase der »ursprünglichen Akkumulation des Kapitals« erwähnen und die Vermutung anstellen, dass sich in einigen Jahren oder Jahrzehnten alles von selbst zum Besseren wendet.
    Die Kommunisten zerstörten das Imperium von zwei Seiten her. Von unten waren das findige Burschen von 25 bis 50 Jahren mit Komsomol-Abzeichen, Parteibuch oder KGB-Ausweis (Schild und Schwert in Gold auf rotem Grund), die es privatisierten und sich die besten Stücke aneigneten, von oben Idealisten, die das Ganze »politisch führen« wollten. Sowohl jene, die oben der neuen Utopie vom »Kommunismus mit menschlichem Antlitz« nachjagten, als auch jene, die unten die Basis für ihre privaten Milliardenvermögen legten, hatten an dem mächtigen Imperium kein Interesse mehr. Deshalb rissen sie es letzten Endes eigenhändig in Stücke.
    Aber wir wollen den Dingen nicht vorgreifen. Die ersten Schritte der Perestroika waren Experimente in der Wirtschaft. Das Wort von der »Beschleunigung« kam in Mode. Das war der Versuch, den Klauen der Planwirtschaft zu entfliehen, Geld zu verdienen, ohne zu sehr auf ideologische Dogmen Rücksicht zu nehmen, und das so schnell wie möglich. Im Grunde tauschte die Nomenklatura die Macht gegen Konten bei westlichen Banken, tote Dogmen gegen lebendiges Geld. »Der Prozess ist in Gang gekommen«, erklärte Gorbatschow in jenen Tagen und meinte damit etwas ganz anderes. Er hatte ein geflügeltes Wort geprägt.
    Die ältere Funktionärsgeneration widersetzte sich zunächst heftig. Die Bürokratie verlor ihre Macht und nannte das Verrat an den

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