JULIA VALENTINSBAND Band 19
über sich ergehen lassen mussten …“ In diesem Moment beugte die Wahrsagerin sich nach vorn. „Wenn Sie sich Ihrem Schicksal nicht fügen, dann ist es so, als ob Sie es verhexen. Wenn Sie sich weigern, die Liebe anzunehmen, die es für Sie vorgesehen hat, wenn Sie das Karma zurückweisen, dann wird es sich abwenden. Es ist, als ob Sie es so lange herumwirbeln, bis es als negative Energie zu Ihnen zurückkehrt und Ihnen mit voller Wucht ins Gesicht bläst.“
Cheryl gehörte zu den Menschen, die einer lebhaften Diskussion nicht aus dem Weg gehen konnten, und hob eifrig den Finger, um mit ihrer Ansicht in Sachen Schicksal dagegenzuhalten. Aber Madame Karma rauschte davon und hinterließ eine Wolke Patschuliduft, bevor die debattierfreudige Cheryl auch nur einen Ton hervorbringen konnte.
Erin hatte sich nicht stören lassen. „Wes ist und bleibt ein Mann für den Übergang“, hatte sie ins Blaue hinein verkündet, während sie den Blick starr auf den sprudelnden Brunnen in der Mitte des Innenhofs richtete.
Auf dem Beifahrersitz des Jeeps beobachtete sie nun, wie der Hafen am Horizont auftauchte. Ihr war klar, dass sie Wes diese Geschichte nicht hätte erzählen sollen. Eigentlich gab es überhaupt keinen Grund, mit ihm irgendwelche Fragen nach dem Schicksal zu besprechen. Denn die Zeit, die sie miteinander verbringen würden, war beschränkt. Das war die klare Vereinbarung für eine kurze Liebesaffäre, die sie sich gönnen wollte; Erin war ihm in dieser Beziehung vollkommen offen gegenüber gewesen. Bei ihren bisherigen Verabredungen hatten sie jede Menge Spaß gehabt und viel gelacht. Und manchmal knisterte es zwischen ihnen heftig, aber Erin zog jedes Mal rechtzeitig die Bremse. Trotzdem fühlte sie sich rundum wohl. Wes gab ihr das Vertrauen zurück, dass sie sich eines Tages wieder auf eine Beziehung einlassen könnte. Zum Dank wollte sie … ja, sie wollte ihm eine gute Freundin sein, und sie nahm an, dass er es ihr nicht übel nehmen würde. Denn er hatte es selbst nicht auf eine langfristige Beziehung abgesehen.
Wes lenkte den Wagen auf den Parkplatz und hielt bei den Kofferträgern, die darauf warteten, den Gästen mit ihrem Gepäck zu helfen. Erin redete sich währenddessen ein, dass sie ohnehin nur oberflächliche Details über ihn wusste: Er war dreißig Jahre alt und verdiente sein Geld mit erfolgreichen Börsengeschäften. In der letzten Zeit hatte er sein Geschäft mehr und mehr auf den Immobilienhandel verlagert. In ihren Augen war er ein Mann im besten Alter, der die schönen Seiten des Lebens zu genießen verstand – genau das, wonach sie sich sehnte. Und eines Abends hatte er sie mit einem Picknick am Hollywood Bowl überrascht, einem riesigen Freilufttheater in der Nähe von Los Angeles – nicht gerade das, was Männer sich normalerweise für ihr Date einfallen ließen. Er arbeitete hart, lebte gut und schien sich keine Sorgen um seine Zukunft zu machen. Seine sorglose Art faszinierte Erin, und sie hatte beschlossen, sich ein paar Tage lang ausgiebig verwöhnen zu lassen.
Nachdem Wes den Motor abgestellt hatte, stiegen sie aus und luden das Gepäck ab, das er an einen der Kofferträger weiterreichte. Erin beobachtete ihn dabei – und musste zugeben, dass sie ihn ausgesprochen gern ansah. Sie schauderte, und es lag nicht daran, dass gerade düstere Wolken am Himmel aufgezogen waren.
Nein, ganz und gar nicht. Nein, es lag unter anderem daran, dass der Kofferträger das gesamte Gepäck aus dem Wagen so übereinandergestapelt hatte, als ob sie zusammengehörten. Das Gepäck war für dieselbe Kabine bestimmt. Dort, wo Erin und Wes schließlich im selben Bett übernachten würden.
Sie schloss den Cashmerepullover fester um ihren Oberkörper. Was habe ich eigentlich hier zu suchen, fragte sie sich wieder. Sex war ihr nur dann wichtig, wenn dabei auch die Liebe eine Rolle spielte. Sex bedeutete, dass man sich dem anderen offenbarte. Dem Menschen, neben dem man mit nackter Haut im Bett lag. Verletzbar. Offen und einladend, bereit für ihn. Erin arbeitete hart daran, diese Auffassung zu ändern. Weil sie zu … zu ernst war für das Leben. Immer endete es damit, dass es ihr das Herz brach. Und davon hatte sie ein für alle Mal genug.
Erin wartete, während Wes den Wagen in die zugewiesene Parklücke stellte, ein Windstoß zerrte an ihr.
Ein paar Minuten später beobachtete sie, wie Wes ihr entgegeneilte. Groß und muskulös, athletisch und gleichzeitig elegant. Der leise Schmerz zwischen
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