JULIA VALENTINSBAND Band 19
gekommen, Hochzeitseinladungen zu verschicken. Deshalb haben wir uns getrennt. Unsere Verlobung kam mir vor wie ein endloser Treck durch die Wüste.“ Warum eigentlich hielt sie es für nötig, sich zu erklären? „Ich weiß natürlich, dass jeder Mensch gern großartige Neuigkeiten über sein Liebesleben hört. Deswegen fühlen Sie sich berufen …“
„Oh nein“, widersprach die alte Wahrsagerin. „Ich irre mich nicht.“
Erin schüttelte den Kopf. „Sie verstehen nicht. Ich bin nicht zu haben. Auch nicht für den Mann meiner Träume. Jedenfalls nicht in den nächsten Jahren.“ Sie würde erst dann wieder zu haben sein, wenn sie die Trennung von William verwunden hatte. William, ihr College-Sweetheart. Schon auf der Universität hatte sie sich in ihn verliebt, und für ihn war ihre Liebe so selbstverständlich, dass er überzeugt war, sie würden schon irgendwann heiraten. Dann, wenn die Zeit gekommen war – für ihn. Und es hatte sich herausgestellt, dass diese Zeit niemals kam.
Es war in Ordnung. Vor fünf Monaten hatte sie festgestellt, dass William einfach nicht der Richtige für sie war, und sie hatte sich getrennt. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich umstandslos dem nächsten Kandidaten in die Arme werfen wollte. Sie hatte sich vorgenommen, das Leben als Single auszuprobieren, zum ersten Mal seit … überhaupt zum ersten Mal. Erin hatte sich so lange an William gekettet, dass sie sich gar nicht mehr erinnern konnte, welche geheimnisvollen Dinge all die Frauen taten, die allein unterwegs waren. Jetzt wollte sie ihren Spaß haben und nachholen, was sie in den letzten Jahren verpasst hatte.
Aber Erin wusste, dass es da noch mehr gab. Sie wollte sich in keinem Fall gefühlsmäßig wieder so tief einlassen, dass sie verletzbar war. Und genau diese Sicherheit konnte Wes ihr bieten. Jemand wie er könnte ihr nicht die Luft zum Atmen nehmen, er würde ihr den Raum lassen, den sie brauchte, bis sie William vergessen und ihre Angst überwunden hatte.
Und dann war Madame Karma aufgetaucht und hatte ihr vorhergesagt, dass Wes der Mann ihrer Träume sei. Das war wirklich das Letzte, was sie hören wollte.
Cheryl steckte selbst seit vielen Jahren in einer Beziehung, und sie war Feuer und Flamme für Erins Idee, mit Wes übers Wochenende auf Kreuzfahrt zu gehen. „Madame Karma“, hatte sie die Wahrsagerin beschworen, „Erin befindet sich gerade in einer Übergangsperiode.“
Erin hatte genickt und gelächelt.
„Dann darf ich Ihnen verraten“, meinte die alte Dame, „dass der Übergangsmann der Mann Ihrer Träume ist. Ihr Mann fürs Leben. Das Schicksal hat ihn für Sie bestimmt.“
Erin stöhnte auf, und es klang, als könnte sie sich nicht entscheiden, ob sie darauf ungläubig oder panisch reagieren sollte. Um keinen Preis der Welt durfte Wes eine bedeutende Rolle in ihrem Leben spielen. Wusste Madame Karma das etwa nicht?
Die alte Dame hatte sich seufzend von ihrem Stuhl erhoben. Der bunte Rock umspielte ihre Hüften, während sie sich ein paar Schritte vom Tisch entfernte. „Ich vermute, dass Sie auch zu den Leuten gehören, die es dem Schicksal nicht gerade leicht machen wollen.“
Cheryl und Erin warfen sich verwunderte Blicke zu.
Madame Karma deutete mit einer Handbewegung auf das Constant Cravings, das Café mit der anzüglichen Schaufensterdekoration. Die beiden Freundinnen gönnten sich dort ihre tägliche Dosis Koffein. Neuerdings war Erin vollkommen abhängig von einer sahnigen Kaffeekreation, die die Inhaberin Goes Down Easy genannt hatte.
„Die Frau dort drüben …“, begann die Wahrsagerin.
„Lacey?“, hakte Cheryl nach.
Die alte Dame nickte. „Sie und ihr Freund waren zuerst an der Reihe. Sie wollten sich ausschütten vor Lachen.“
„Freund?“, riefen Erin und Cheryl wie aus einem Munde. Lacey Perkins war Single, soweit sie Bescheid wussten. Ja, natürlich war ihnen aufgefallen, dass der Gebäude-Manager Evan Sawyer sie offenbar gar nicht oft genug wegen der anzüglichen Schaufensterdeko rügen konnte. Aber trotzdem …
„Und dann“, fuhr Madame Karma fort, „war die Nächste an der Reihe, die mir nicht glauben wollte. Die Steuerberaterin.“
Die Steuerberaterin? Welche Steuerberaterin?
„ Oh“, platzte Erin schließlich heraus und zeigte auf den vierten Stock des Gebäudes. „Sie meinen wohl Chloe Cooper …“
Madame Karma schien in Fahrt zu kommen. „Darf ich Ihnen einen Rat geben? Damit Sie sich den Ärger ersparen können, den die beiden
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