JULIA VALENTINSBAND Band 19
bohrende Gefühl, das ihn darüber nachdenken ließ, wie er sein Leben bisher achtlos und verschwenderisch gelebt hatte. Tag für Tag, Nacht für Nacht … und niemals schien er wirklich einen Schritt vorwärtszukommen, während die Welt um ihn herum sich ständig weiterentwickelte.
Dieses bohrende Gefühl weckte in Wes den Wunsch, Erin zu überzeugen, dass die Menschen sich in ihm irrten.
Nachdem sie an Bord gegangen waren, ließ sich Erin als Erstes einen Termin in dem Wellnesscenter geben, das es auf dem Schiff gab. Danach bezogen sie ihren prächtigen Salon. Wes schloss den Raum mit seiner Identifikationskarte auf, öffnete die Tür für sie und schloss kurz die Augen, während sie dicht an ihm vorbeiging und ihn mit ihrem wundervollen Duft streifte.
Süß, dachte er unwillkürlich, und aufregend. Wie Himbeeren mit einem Spritzer Limone … Sie duftete nach einem Strauß bunt gemischter Sommerblumen.
„Wow“, staunte Erin, umrundete das Bett, um aus dem breiten Bullauge blicken zu können, und betrachtete das Deck, das sich im trüben Nachmittagswetter vor ihr hinstreckte. „Die Kabine ist größer, als ich erwartet hätte.“
„Hast du mit einer Zelle gerechnet?“
„Irgendwie schon. Mir schwebten schmale Pritschen vor, die an den Wänden befestigt sind. Und in der Ecke eine blaue Chemietoilette wie auf dem Campingplatz.“
„Das zeigt nur, wie wenig du meinem Geschmack vertraust.“
„Obwohl ich es ganz bestimmt besser wissen sollte.“
Da war es wieder, das strahlende Lächeln. Wenn Erin lächelte, sah es aus, als werde ihre Haut in einen sanften rötlichen Schimmer getaucht, der sogar ihre grauen Augen funkeln ließ. Aber damit fing es erst an. Ihre blonden Haare waren stufig geschnitten und reichten ihr bis unter das Kinn; die braunen Strähnen ließen die Frisur jung und modisch aussehen. Ihre Nase war süß wie ein Knopf, und ihr herzförmiges Gesicht erinnerte ihn daran, dass sie eigentlich gar nicht aussah wie die Frauen, mit denen er sich normalerweise traf. Er war auf schlanke, sportliche Frauen festgelegt, die sich so flink bewegten wie … wie ein Sportwagen, der die Kurven rasant schnitt, anstatt sie mit Genuss zu nehmen. Vielleicht war es genau das, was Erin für ihn so anziehend machte: Sie bestand darauf, die Dinge langsam angehen zu lassen, und sein Verlangen nach ihr wuchs mit jeder schrecklichen Sekunde.
Wes war machtlos dagegen, dass sein Blick an ihrem zierlichen Körper hinunterglitt. Die Brüste waren ein wenig zu groß für ihre Figur, die Taille war schmal, die Hüfte schlank. Sogar in Jeans, T-Shirt und einem Pullover, der wahrscheinlich in den Fünfzigern modern gewesen wäre, weckte sie seine Lust.
Aber hatte er sich nicht auf die Kreuzfahrt mit ihr eingelassen, um ihr zu beweisen, dass er seine Playboy-Phase überwunden hatte? Dass mehr in ihm steckte als nur ein Kerl, mit dem man sich prächtig amüsieren konnte?
Zum Teufel noch mal, fluchte er unhörbar, manchmal ist es wirklich verdammt schwer, ein Gentleman zu sein. Und das galt besonders für diesen Moment, in dem Erin neben diesem breiten Bett stand, das den gesamten Raum dominierte.
Sie schien es auch zu bemerken, denn ihr Blick schweifte auf die Matratze und dann wieder zu ihm. Diesmal wurden ihre Wangen deutlich rot, und seine Muskeln verspannten sich.
Wes brauchte sie. In vieler Hinsicht.
Der Kofferträger hatte das Gepäck bereits in die Kabine geliefert. Es stand neben dem Bett, sie mussten es nur noch auspacken. Zögernd strich Erin mit der Hand über die rote Tasche aus imitiertem Krokodilleder, als wollte sie immer noch nicht ganz begreifen, dass sie sich tatsächlich auf diese Kreuzfahrt mit ihm eingelassen hatte. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht war nicht neu, Wes hatte schon einige Male gespürt, wie groß Erins Zurückhaltung im Grunde genommen war.
Plötzlich kamen ihm ungewohnte Zweifel. Zögerte sie nur, weil sie normalerweise nicht nach zwei Wochen schon mit einem Mann ins Bett ging, oder lag es an ihm – zögerte sie seinetwegen?
Erin hielt den Blick starr auf das Gepäck gerichtet, atmete tief durch und öffnete dann den Reißverschluss der Tasche so schwungvoll, dass es wie ein zu schnell gefällter Entschluss wirkte. Aber sie schenkte ihm dennoch dieses strahlende Lächeln, das ihn wieder fast aus der Bahn zu werfen drohte.
Wes wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte, und schloss die Tür. „Sieht so aus, als würdest du mit leichtem Gepäck reisen“, flachste er. „Das
Weitere Kostenlose Bücher