JULIA VALENTINSBAND Band 19
Entscheidung getroffen hatten. Außerdem wollte er ein Gentleman sein und sie zu nichts drängen, wenn sie sich nicht wohlfühlte.
Ich und ein Gentleman, dachte er insgeheim und verkniff sich ein spöttisches Lächeln, ja, natürlich.
Kurz nachdem sie das Schiff verlassen hatten, betraten sie ein Gebäude mit dem Schild „Willkommen in Ensenada“. Sie schauten sich die Läden für Touristen an, in denen nachgemachte Designeruhren, Salsa und farbenfrohe mexikanische Decken verkauft wurden.
Erin schlenderte zu einem Tisch hinüber, auf dem Lederarmbänder präsentiert wurden. Sie suchte sich ein Armband mit Blumenmuster aus, hielt es an ihr Handgelenk, lächelte versonnen und legte es dann zurück.
„Gefällt es dir nicht?“, fragte Wes und war überrascht, wie viel Spaß er daran hatte, sie beim Shoppen zu beobachten. Aber war es nicht vielmehr so, dass ihn alles gefangen nahm, was sie tat?
„Ich glaube, es passt nicht zu mir.“
Wes schaute sich das elegante Armband an. Es würde großartig zu ihr passen, obwohl es einfach gearbeitet war und bestimmt kein Vermögen kostete. Sie ist es wert, dass man sie mit Diamanten überhäuft, dachte er unwillkürlich, aber irgendwie müssen diese Diamanten noch gehoben werden. Und geschliffen und poliert.
Während Erin weiterging und schließlich vor einem Spielzeugladen stehen blieb, fragte Wes die Verkäuferin, was sie für das Armband verlangte. Ohne sich auf einen langwierigen Handel einzulassen, zahlte er ihr die zehn Dollar.
Wes stopfte das Geschenk in die Tasche seiner Lederjacke und lächelte die Verkäuferin an. Bestimmt freut Erin sich über das Geschenk, dachte er. Die Verkäuferin verstand ihn falsch. Ihre Wangen waren gerötet, als sie sich die schwarze Haarsträhne hinter das Ohr zurückschob.
Uups.
Er drehte sich um und suchte seine … Ja, was war Erin eigentlich für ihn? Seine Freundin? Eine Affäre? Oder mehr?
Hastig schob er den Gedanken beiseite, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sie in einem anderen Laden etwas kaufte. Ein paar Sekunden später kam sie zu Wes und zeigte ihm, was sie erstanden hatte.
„Für meinen Neffen“, erklärte sie, und ihre grauen Augen funkelten, als sie den Deckel der kleinen Schachtel anhob und ein schwarzrotes Teufelchen heraussprang.
Ihr Neffe. Obwohl sie sich auf einer Kreuzfahrt befanden, stand er plötzlich ihrem Alltag gegenüber. Wes begriff nicht, warum es so war, aber irgendwie bekam er es mit der Angst zu tun. Vielleicht lag es daran, dass Erin ihm viel wichtiger geworden war als jede andere Frau in seinem Leben – obwohl er sie erst seit einigen Wochen kannte.
„Wie alt ist er?“, fragte Wes. Zusammen steuerten sie auf den Ausgang des Gebäudes zu.
„Drei Jahre. Schau mal.“ Sie drehte an einer kleinen Kurbel an der Seite der Schachtel, und die Melodie eines bekannten Kinderliedes erklang. Erin summte mit.
Eigentlich hätte das Teufelchen wieder aus der Schachtel springen müssen, als das Lied zu Ende war. Aber Erin brach kurz vorher ab.
„Hey“, beklagte er sich, „erzähl mir nicht, dass darauf auch ein Fluch lastet.“
Wes nahm ihr die Schachtel aus der Hand, drehte weiter an der Kurbel und summte das Lied zu Ende. Kaum war die Melodie verklungen, sprang das Teufelchen aus dem Karton. Erin war vollkommen in sich versunken und zuckte in dem Moment heftig zusammen.
Erschrocken legte sie die Hand auf den Bauch und lachte. „Ich erschrecke immer. Über alles, was ich … was ich nicht vorhersehen kann.“
Wes wusste, dass das stimmte. Er musste daran denken, wie nervös sie war, wenn sie erzählte, dass sie mit ihrem Candy-Shop expandieren wollte. Und dass sich die Farbe ihrer Augen jedes Mal veränderte, wenn er sie küssen wollte.
„Aber es ist doch nur ein Spielzeug“, beschwichtigte er sie. „Höchstens Kinder haben davor Angst.“
„Hm“, überlegte Erin, „ich sollte noch mal darüber nachdenken, ob ich meinem Neffen damit nicht vielleicht seelischen Schaden zufüge.“
Sie stopfte das Spielzeug in ihre Handtasche und schien wirklich darüber nachzudenken, ob sie es dem Jungen schenken sollte. Dem eigentlichen Thema wich sie aus. Aber Wes drängte nicht weiter und ließ sie in Ruhe, obwohl es ihn innerlich beschäftigte.
Sie verließen das Gebäude, mischten sich unter die Menschenmenge auf dem Bürgersteig und stiegen in den Bus, der sie in die Stadt Ensenada bringen sollte.
Dort entdeckten sie eine Straße, an der kleine Händler ihre Stände aufgebaut
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