Julia-Weihnachten Band 23
herübergekommen war? Er war der Mann, in den sie einmal wahnsinnig verliebt gewesen war. Ein einziges Mal hatten sie sich geküsst, und das lag zwölf Jahre zurück. Mehr war nicht passiert. Weshalb machte sie solch eine große Sache daraus?
„Mom backt fantastischen Kuchen. Du solltest einmal sehen, was sie zu unseren Geburtstagen macht. Ihr bunter Zuckerguss schmeckt einfach himmlisch!“, verriet ihre Jüngste der kleinen Besucherin. Louellas sommersprossiges Gesicht ähnelte Clemmies unwahrscheinlich, wenn sie aufgeregt drauflosplapperte.
„Seid ihr Amerikanerinnen?“, fragte Stella neugierig.
Justine schüttelte den Kopf. „Nein. Unser Dad war … äh … ist Amerikaner“, verbesserte sie sich schnell. „Er lebt mit seiner neuen Freundin und ihrem Baby in Amerika, und wir wohnen jetzt hier. Aber wir sind in Amerika aufgewachsen, deswegen haben wir einen Akzent. Meinst du, die anderen Kinder werden uns auslachen?“
„Auf keinen Fall!“, versicherte Stella ihr sofort. „Im Gegenteil. Alle Mädchen werden euch beneiden. Jeder wird glauben, dass ihr drüben Filmstars seid!“
„Soll das ein Witz sein?“
„Nein, bestimmt nicht.“
Clemmie ließ die drei Mädchen allein und füllte den Kessel erneut. Bevor das Wasser kochte, vernahm sie Schritte auf der Treppe. Justine rief: „Wir gehen mit Stella nach oben und zeigen ihr unsere Zimmer. Ist das okay, Mom?“
„Ja, natürlich!“ So konnte sie nun einige der Kisten auspacken, die überall in der Küche herumstanden.
Entschlossen machte sie sich an die Arbeit und summte leise vor sich hin. Vor dem Umzug war sie innerlich hin und her gerissen gewesen. Gern hätte sie all ihre vertrauten Möbel mitgenommen, damit sich die Mädchen in Ashfield gleich heimisch fühlen würden. Andererseits hätte sie am liebsten alles vernichtet, um ganz neu anzufangen. Nichts sollte sie mehr an Bill und ihre Ehe erinnern, um deren Rettung sie so lange vergeblich gekämpft hatte.
Am Ende hatte sie nur ihre Lieblingssachen eingepackt: ein wertvolles Porzellanservice, das ein Hochzeitsgeschenk gewesen war, und einen Schaukelstuhl, den Bill in der ersten glücklichen Zeit ihrer Ehe für sie gebaut hatte. Außerdem hatte sie einige kleinere Gefäße und Statuetten mitgenommen, die sie über die Jahre gesammelt hatte. Erstaunlich, dachte sie, während sie einen Krug aus der Kiste nahm und vorsichtig das Packpapier entfernte. Zehn Jahre ihres Lebens hatte sie in einem anderen Land verbracht. Und nun war sie zurückgekehrt und hatte nicht allzu viel vorzuweisen.
Außer ihren zwei wunderbaren Töchtern und ihrer Entschlossenheit, sich künftig von Männern fernzuhalten. Männer bedeuteten nichts als Ärger und gebrochene Herzen. Sie benutzten einen und warfen einen anschließend achtlos beiseite.
Deshalb kam es ihr auf grausame Weise ironisch vor, dass es sich bei den neuen Nachbarn hinter der Gartenmauer ausgerechnet um Alec und Alison handelte.
Nur keine Panik, mahnte Clemmie sich im Stillen und stellte den Krug auf das Fensterbrett. Immerhin hatte sie es in einem fremden Land verwunden, einsam zu sein, betrogen und verlassen zu werden. Mit Sicherheit würde sie da auch das Wiedersehen mit ihrer großen Jugendliebe und jener Frau überstehen, die Alec umworben und geheiratet hatte.
Der Vormittag verging wie im Flug, und Clemmie erledigte eine ganze Menge. Vor allem entstaubte sie die Wände und die Tapeten. Dabei überlegte sie, ob sie die Räume streichen sollte, sobald die Mädchen zur Schule gingen.
Glücklicherweise waren die beiden mit Stella beschäftigt. Sie schien sehr bescheiden zu sein und hatte Justine und Louella dazu gebracht, ihr riesiges Puppenhaus wieder einzuräumen. Als Clemmie vor einigen Minuten den Kopf durch die Tür gesteckt hatte, waren die drei ganz in ihr Spiel vertieft gewesen.
Um Viertel nach eins wusch sich Clemmie die Hände und setzte den Wasserkessel auf. Als sie darüber nachdachte, was sie zu Mittag kochen könnte, klopfte jemand gebieterisch an die Haustür.
Sie warf einen raschen Blick in den Spiegel und verzog das Gesicht angesichts ihrer Jeans und des alten gelben T-Shirts. Nicht gerade die beste Kleidung, um einen neuen Nachbarn zu beeindrucken. Hätte sie sich bloß etwas mehr Mühe gegeben! Ihr Haar war staubig und musste gewaschen werden, und sie hatte keinerlei Make-up aufgelegt. Umso mehr fielen die Sommersprossen auf ihren Wangen und ihrer Nase auf, die sie schon immer als Fluch empfunden hatte.
Clemmie öffnete die
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