Julia-Weihnachten Band 23
Stattdessen fuhr er ungerührt mit seinem Bericht fort, als könnte er den ersten Schock dadurch mildern: „Wir waren im Skiurlaub. Alison ist furchtbar gern Ski gefahren. Es geschah am Morgen unseres vorletzten Tages: Sie hatte sich einen Profi gesucht, der sie begleiten sollte. Ich blieb im Hotel, weil Stella noch klein war und sich nicht gut fühlte. Alison freute sich sehr auf die Tour. Sie war eine gute Skiläuferin – eindeutig besser als ich. Ihr Skipartner hatte versprochen, mit ihr auf eine der besonders schwierigen schwarzen Pisten zu gehen, die normalerweise für Freizeitsportler gesperrt sind. Und dann hat uns dieser schwere Schicksalsschlag getroffen. Stella hat furchtbar gelitten, als sie vom Tod ihrer Mutter erfuhr.“
„Meine Güte, das arme Kind!“, stieß Clemmie hervor. Ihr entging nicht, dass Alecs Gesicht mit einem Mal verschlossen war. Offensichtlich wollte er ihr Mitleid nicht. Was könnten ihre teilnehmenden Worte heute, Jahre später, überhaupt bewirken? Wahrscheinlich schon deshalb nichts, weil sie von ihr stammten. Es war besser, sich den Tatsachen zu stellen.
„Eigentlich bin ich nur gekommen, um mich dafür zu entschuldigen, was ich neulich zu dir gesagt habe – und was ich dabei unterstellt hatte“, sagte sie leise. „Alles ist ganz falsch gelaufen, Alec. Ich bin furchtbar wütend auf dich gewesen. Deshalb habe ich derart auf dich eingeschimpft.“
Alec schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht ganz unschuldig daran gewesen: Ich habe ebenfalls einige grausame Dinge gesagt, weil ich dich provozieren wollte, Clemmie. Mir ist nur nicht klar gewesen, wie leicht das sein würde.“
Als sie in seine finsteren Augen schaute, kostete es sie größte Mühe, um seinem Blick standzuhalten. Was passierte da zwischen ihr und diesem Mann? Die erotische Anziehungskraft, die er auf sie als Teenager ausgeübt hatte, schien im Laufe der Jahre kein bisschen nachgelassen zu haben. Und das zu leugnen wäre schlicht und einfach unreif gewesen. „Du meinst, du bist nicht darauf gefasst gewesen, dass du mich immer noch so leicht aus der Fassung bringen kannst?“
„Ich weiß nicht, ob ich es so beschreiben würde.“ Nachdenklich sah er sie an. „Sagen wir lieber: Ich bin nicht darauf gefasst gewesen, dass etwas ganz Besonderes zwischen uns geschieht, sobald wir aufeinandertreffen. Selbst jetzt.“
„So etwas nennt man für gewöhnlich Begierde“, antwortete sie leise. „Mehr ist es nämlich nicht.“
„Wirklich nicht?“ Er lachte spöttisch. „Jetzt enttäuschst du mich aber, Clemmie. Ich hatte nämlich gehofft, dass uns beide etwas Einzigartiges verbindet.“
Was Clemmie anging, traf das durchaus zu. Aber zum Glück ahnte Alec nichts davon. Er sprach von Sex – und sie von etwas völlig anderem. Frauen verwechselten Sex häufig mit Liebe: Das war der größte Fehler, den sie in einer Beziehung machen konnten. Und Clemmie hatte sich geschworen, diesen Fehler nie wieder zu begehen. „Das bildest du dir nur ein“, erwiderte sie leise.
„Meinst du?“, antwortete er. „Das bezweifle ich.“ Langsam musterte er ihren Körper von Kopf bis Fuß.
Clemmie wollte sich darüber ärgern. Stattdessen war sie wie gebannt und konnte sich nicht rühren. Ihr war, als würde sie von einem starken Scheinwerfer erfasst, der all ihre Fehler und Schwächen sichtbar machte. Plötzlich war sie froh, dass sie spontan zu Alec gegangen war und sich nicht vorher umgezogen hatte. Zumindest konnte er ihr so nicht unterstellen, dass sie gekommen war, um ihn zu verführen.
Dennoch wünschte sich ein kleiner verborgener Teil von ihr, dass sie sich ein bisschen reizvoller gekleidet hätte. Ihre Jeans waren weder alt noch verblichen genug, um auf modische Art verwaschen auszusehen. Und sie saßen auch nicht hauteng um ihre Hüften. Ihr Pullover hatte einen hübschen Rostton, der ihr glänzendes kastanienbraunes Haar hervorragend zur Geltung brachte. Allerdings war er vom vielen Waschen schon sehr fusselig. Und ihre blauen Wildledermokassins waren ebenfalls alt und verschlissen. Sie sah tatsächlich genau wie die Frau aus, die sie war: eine geschiedene Neunundzwanzigjährige, deren Gesicht die ersten Spuren des Alters aufwies.
Nervös befeuchtete Clemmie ihre Lippen und musste überlegen, weshalb sie hier war. Sie hatte gesagt, was sie loswerden wollte. Bei der Gelegenheit hatte sie außerdem erfahren, dass sie immer noch eine höchst unpassende Sehnsucht nach Alec verspürte.
„Und was ist mit dir?“, fragte
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